Ende der Schubhaft und humanitäres Aufnahmeprogramm für Afghan*innen
„Der Zweck der Schubhaft ist die Sicherung von Abschiebungen. Können diese aber nicht durchgeführt werden, muss dieser schwere Grundrechtseingriff sofort beendet werden,“ erinnert Lukas Gahleitner-Gertz Innenminister Karl Nehammer an die geltende Rechtslage. „Die letzten Tage haben gezeigt, dass sich der strafrechtliche Verdacht des Amtsmissbrauchs wegen rechtswidriger Freiheitsberaubung verdichtet. Realitätsverweigerung schützt vor Strafe nicht.“
Das Bundesverwaltungsgericht ordnet bereits seit vergangener Woche in Schubhaftverfahren die Enthaftung von Afghanen an, weil eine Abschiebung „nicht verwirklichbar“ und eine Änderung dieser Situation „nicht absehbar“ ist. Das Innenministerium missachtet allerdings den sich daraus ergebenden gesetzlichen Auftrag.
„Während man sich in allen Länder vom Kosovo bis Kanada den Kopf zerbricht, wie man Menschen aus Afghanistan in Sicherheit bringen kann, klammert sich Innenminister Nehammer verzweifelt an menschenrechtswidrige Abschiebungsphantasien,“ schüttelt Gahleitner-Gertz den Kopf. „Innenminister Nehammer täuscht hier die Bevölkerung vorsätzlich: Abgesehen von der rechtlichen und technischen Unmöglichkeit afghanische Flüchtlinge abzuschieben, wird es angesichts der Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban und deren Verfolgung Andersdenkender in absehbarer Zeit kaum negative Verfahrensausgänge geben.“

Humanitäres Aufnahmeprogramm
Österreich muss auf die Machtübernahme der Taliban reagieren und seinen Teil bei der Evakuierung und Aufnahme von gefährdeten Personen aus Afghanistan beitragen. Insbesondere bereits laufende Familienzusammenführungen müssen umgehend abgeschlossen und die Betroffenen notfalls mit der Hilfe anderer EU-Staaten aus Afghanistan evakuiert werden.
Viele Menschen aus Afghanistan, die in Österreich Schutz gefunden haben, fürchten heute um ihre Geschwister oder Eltern und versuchen gemeinsam mit österreichischen Freund*innen verzweifelt, diese zu retten und ihnen beizustehen. Dieser Teil der österreichischen Gesellschaft braucht konkrete Unterstützung und keine hohlen, unrealistischen Phrasen.
Die asylkoordination fordert in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines humanitären Aufnahmeprogramms (HAP-Afghanistan) für besonders vulnerable Personen und solche, die nahe Verwandte in Österreich haben. Es muss eine zentrale Stelle eingerichtet werden, bei der Anträge eingebracht werden können. Es kann dabei auf die Erfahrungen der drei humanitären Aufnahmeprogramme (HAP I-II) für syrische Schutzsuchende zwischen 2013 und 2017 zurückgegriffen werden. Es sollte eine Frage von wenigen Tagen sein, eine entsprechende Infrastruktur hochzufahren.

Kapazitäten für Asylverfahren
Das Innenministerium darf nicht länger für Parteipolitik missbraucht werden. „Die Behörden müssen sich auf die anstehenden Herausforderungen vorbereiten: Neben der sofortigen Freilassung aus der Schubhaft bedarf es eine fundierte Einbeziehung der aktuellen Situation in Asylverfahren und Bereitstellung von Ressourcen für rasche Erledigung der zu erwartenden Folgeanträge. Die Realitätsverweigerung des Innenministeriums darf nicht in einen Rückstau von Verfahren enden. Die asylkoordination wird darauf achten, ob die Verfahren zügig erledigt oder verschleppt werden.
 
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