Agenda Asyl lehnt die Verordnung als weiteren Demütigungs- und Ausgrenzungsversuch von schutzsuchenden Menschen ab
Stellungnahme von Agenda Asyl zum Entwurf einer Verordnung des Innenministers zur gemeinnützigen Hilfstätigkeit von Asylwerbern und bestimmten sonstigen Fremden.

Der Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Inneres sieht vor, „gemeinnützige Hilfstätigkeiten von Asylwerbern und bestimmten sonstigen Fremden“ auf einen maximalen Anerkennungsbeitrag von 1,50-Euro pro Stunde zu beschränken.
Agenda Asyl lehnt die Verordnung ab und erachtet sie als weiteren Demütigungs- und Ausgrenzungsversuch von schutzsuchenden Menschen in Österreich.

Asylwerber sind nahezu vollständig vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Die Möglichkeiten, während des laufenden Asylverfahrens einer Tätigkeit nachzugehen sind bescheidenen. Eine saisonale Beschäftigungsbewilligung kann nur im Tourismus oder für Erntehelfer erteilt werden. Selbst diese Optionen sind für viele AsylwerberInnen nicht zugänglich: mangels Bargeld können Anreisen zu Vorstellungsgesprächen nicht finanziert werden, weiters erschwert die kürzlich eingeführte Wohnsitzbeschränkung die Mobilität, weiters ist die Aufnahme einer regulären Beschäftigung mit dem Risiko verbunden, den Platz in der Grundversorgung und somit die vertraute Umgebung zu verlieren, sobald die befristete Beschäftigung beendet ist.
Für viele AsylwerberInnen ist die gemeinnützige Beschäftigung daher eine willkommene Möglichkeit, einerseits die spärlichen Barmittel (40,- Euro pro Monat) aufzubessern, andererseits sich auch in der Gemeinde nützlich zu machen und etwas zurückgeben zu können, also auch einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Daneben dient die gemeinnützige Beschäftigung AsylwerberInnen auch als Gelegenheit, die meist beengenden Verhältnisse im Flüchtlingsheim für einige Stunden hinter sich zu lassen, mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu kommen und Sprachkenntnisse zu erwerben. Teilweise kann die gemeinnützige Tätigkeit auch einen Einstieg in das Berufsleben vorbereiten.
Der Bundesminister plant nun eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 1,50 zu verordnen. Es sei daran erinnert, dass im Jahr 2004 der Innenminister eine Verordnung erlassen hat, in der die Entschädigung für Remunerantentätigkeit mit 3,- bis 5,- Euro/ Stunde festgelegt wurde.

Die Erläuterungen zur Novelle zum BundesbetreuungsG vom März 2004 führen dazu aus: „Wer arbeitet soll auch entsprechenden Lohn erhalten. (….) Für die jeweils erbrachten Hilfstätigkeiten ist der ortübliche Lohn zu bezahlen – so wird ein Betreuter, der leichte Hilfsdienste im Garten erledigt weniger Entschädigung erhalten als ein solcher, der etwa eigenverantwortlich bei der Verwaltung der Betreuungseinrichtung mithilft. Die durch die Tätigkeit erzielte Entschädigung sollten jedoch die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten.“
In der Praxis hat sich seither ein Betrag von 3 - 5 Euro in den Bundesländern als üblich erwiesen, während das Innenministerium die Entschädigung zuletzt auf 2,50 Euro, laut Medienbericht sogar auf 1,60 Euro für die Mitarbeit in den Betreuungsstellen des Bundes herabgesetzt hat. In den meisten Bundesländern wird die Höhe der gemeinnützigen Entschädigung bei 110,- Euro gedeckelt.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die vor 15 Jahren bereits als angemessen erachtete Entschädigung nun drastisch auf 1,50 Euro pro Stunde gesenkt werden sollte. Eine Gleichbehandlung mit Zivildienstleistungen erscheint nicht geboten, da sich die Situation von AsylwerberInnen mit Zivildienern nicht direkt vergleichen lässt. Diese sind meist nicht hilfsbedürftig und haben in der Regel ein familiäres Umfeld, das auch finanzielle Unterstützung bieten kann, während AsylwerberInnen in der Grundversorgung grundsätzlich mittellos und hilfsbedürftig sind. Weiters hätte man als Bemessungsgrundlage auch weniger Stunden als 225 heranziehen können, z.B. eine 40 Stunden Woche, wodurch sich der Entschädigungsbeitrag auf über 2 Euro erhöhen würde. Während der Zivildienst zeitlich jedenfalls beschränkt ist, ist die Dauer des Asylverfahrens kaum vorhersehbar, eine mehrjährige Verfahrensdauer ist keine Seltenheit. Für AsylwerberInnen bedeutet dies aufgrund des fehlenden Arbeitsmarktzugangs eine auch mehrere Jahre dauernde Phase der Mittellosigkeit.

Wäre eine Gleichbehandlung vorzusehen, müsste der Betrag für die angemessene Verpflegung von AsylwerberInnen im Rahmen der Grundversorgung drastisch erhöht werden: für Zivildiener sind 16 Euro pro Tag vorgesehen, der unter bestimmten Umständen auf 10,40 Euro gekürzt werden könnte. Für AsylwerberInnen sind rd 6 Euro für Verpflegung pro Tag vorgesehen, bei privat Wohnenden AsylwerberInnen sollen damit auch diverse andere Güter des täglichen Bedarfs abgedeckt sein.
Die Verordnungsermächtigung im §7 (3a) GVG Bund sagt: Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, nach Anhörung der Länder mit Verordnung festzulegen, unter welchen Voraussetzungen bei unter dem bestimmenden Einfluss einer Gebietskörperschaft oder eines Gemeindeverbandes stehenden Organisationen und unter welchen Voraussetzungen bei Nichtregierungsorganisationen Asylwerber und Fremde gemäß Abs. 3 mit ihrem Einverständnis für gemeinnützige Hilfstätigkeiten im Sinne des Abs. 3 Z 2 herangezogen werden können.

Die Bundesländer haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme (außer Niederösterreich) eingewendet, dass sie gute Erfahrungen mit dem bisherigen Modell gemacht haben: Sie sehen die Möglichkeit zu arbeiten als den besten Weg zur Integration und im Vorstoß des Innenministers eine „gezielte Strategie der Zerstörung von Integrationsmaßnahmen,“ die endlich gestoppt werden muss. Bei einem Stundenlohn von 1,50 Euro werde die Arbeit und der Mensch, der sie macht, ein Stück weit entwertet. „Die FlüchtlingsreferentInnen sprechen sich daher in aller Deutlichkeit für die Beibehaltung der bisher üblichen Praxis und gegen die Pläne des Innenministers aus.“
Nach der ablehnenden gemeinsamen Stellungnahme der Länder ist fraglich, ob eine vorangegangene "Anhörung" der Länder stattgefunden hat und wenn ja, ob dem Willen des Gesetzgebers Genüge getan wurde, wenn der Innenminister nach der Anhörung das Gegenteil von dem verordnet, was die Länder mehrheitlich wünschen.

Agenda Asyl empfiehlt, die Anregungen aus den EQUAL Projekten aufzugreifen. Im Handbuch für Gemeinden, das im Rahmen des EQUAL-Projekts InPower entstanden ist, wurden von der Forschungsplattform grundsätzliche Bedenken, aber auch der Wert der Gemeinnützigen Beschäftigung festgehalten: Gemeinnützige Beschäftigung ist demnach kein Ersatz für die notwendige Öffnung des regulären Arbeitsmarktes für AsylwerberInnen, sie stellt vielmehr eine Übergangslösung in der derzeitigen Situation des verwehrten Arbeitsmarktzuganges für AsylwerberInnen dar.
Zu den von den Projekten entwickelten Qualitätsstandards zählen:
• Die Freiwilligkeit muss auf jeden Fall gegeben sein.
• Die Zielgruppe soll auch privat Wohnhafte in der Grundversorgung umfassen.
• Die Gemeinnützige Beschäftigung von AsylwerberInnen sollte auch für gemeinnützige Vereine möglich sein, um ausreichend Beschäftigungsplätze zur Verfügung stellen zu können
• Die Gemeinnützige Beschäftigung kann nur zeitlich begrenzt für die Dauer des Asylverfahrens zum Einsatz kommen.
• Vorzug eines ordentlichen Beschäftigungsverhältnisses
Vorgeschlagen werden begleitende Maßnahmen wie Sprachkurse zur Vermittlung von Deutschkenntnissen, zur Berufsorientierung und beruflichen Qualifizierung sowie Individualqualifizierungen
Zu den Rahmenbedingungen wird Folgendes für unerlässlich erachtet:
• Die Mindesthöhe des Anerkennungsbeitrages beträgt 5,- Euro pro Stunde.
• Durch Gemeinnützige Beschäftigung darf es jedenfalls bis zur Geringfügigkeit zu keinen Kürzungen der Leistungen aus der Grundversorgung kommen
• Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung
• Die AsylwerberInnen erhalten eine schriftliche Bestätigung (ähnlich einem Dienstzeugnis)

Agenda Asyl ruft auch den einstimmigen Beschluss der LandesflüchtlingsreferentInnen in Erinnerung, die 2016 den Betrag von 5 Euro als angemessen beurteilt haben. „Es gibt nun ein klares Bekenntnis dazu, die Hilfstätigkeiten auf gemeinnützige Trägerorganisationen auszuweiten und diesen auch tatsächliche finanzielle Anerkennung zuteil werden zu lassen. Die klare Absage an Ein-Euro-Jobs war ein wichtiges Zeichen, das die LandesflüchtlingsreferentInnenkonferenz gesetzt hat. Die Leistung solle dabei mit einem Anerkennungsbeitrag von 5 Euro pro Stunde abgegolten werden und auf maximal 10 Stunden pro Woche begrenzt sein.“
Agenda Asyl regt an, diesen Beschluss österreichweit und die 2007 veröffentlichten Qualitätsstandards umzusetzen und von der Erlassung der Verordnung entweder Abstand zu nehmen oder zumindest eine Aufwandsentschädigung von 5 Euro pro Stunde vorzusehen.
Wien, 19. April 2019
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