Rückzug von Andreas Achrainer als Geschäftsführer der BBU. Folge von Einmischung des Innenministeriums in Flüchtlingsbetreuung?
asylkoordination fordert volle und transparente Aufklärung der Gründe des Abgangs des angesehenen Managers und Konsequenzen für Ministerialbürokratie

(Wien, 11. Okt. 2021) Erst im Mai dieses Jahres hat sich Andreas Achrainer in einem Auswahlverfahren als Bestqualifizierter durchgesetzt und wurde als Geschäftsführer der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU) für die Dauer von fünf Jahren wiederbestellt. Die heutige Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres, dass der Vertrag von Achrainer gekündigt worden sei, wirft viele Fragen auf.

Konstruktionsfehler der BBU
Zumal keine privaten Gründe angeführt sind liegt der Schluss nahe, dass von der Zivilgesellschaft stets mit Nachdruck aufgezeigte Konstruktionsfehler der Bundesagentur dazu geführt haben, dass Achrainer das Handtuch schmiss. Vertreter der Ministerialbürokratie haben unvereinbare Doppelrollen als Auftraggeber und Kontrolleure der BBU GmbH und die Durchführung der Rechtsberatung und -vertretung gegen staatliche Bescheide durch eine quasi staatliche, vom Innenministerium kontrollierte Agentur ist per se ein juristisch bedenkliches Unding.

„Es kann jetzt nicht zur Tagesordnung übergegangen werden: Es muss auch hier umfassende Aufklärung betrieben werden. Der Aufsichtsrat ist gut beraten, eine außerordentliche Sitzung einzuberufen um Transparenz in die Vorgänge zu bekommen,“ fordert Lukas Gahleitner-Gertz. Die BBU GmbH war einer der Streitpunkte bei den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen, die grundlegende Kritik der Zivilgesellschaft an der juristisch-organisatorischen Konstruktion der BBU wurde nicht berücksichtigt. „Das rächt sich nun: Wir haben bereits 2015 eine Managementkrise des Innenministeriums gesehen. Das wiederholt sich nun: Nicht weil es so viele Anträge gibt, sondern weil das Innenministerium es offensichtlich nicht schafft, ein adäquates Arbeitsumfeld für einen angesehen Manager wie Achrainer zu schaffen,“ so der Sprecher der asylkoordination österreich.

Aufklärung der tatsächlichen Gründe für den Rückzug
Trotz dieser prinzipiellen Kritik und Anlaufschwierigkeiten bei der BBU hat sich in den letzten Monaten mit der Zivilgesellschaft ein sachlicher Dialog entwickelt. „Achrainer hat sich als ein Gesprächspartner auf Augenhöhe erwiesen. Es war möglich sachliche Kritik einzubringen, die dann auch zu Verbesserungen für die schutzsuchenden Menschen geführt hat,“ bedauert Gahleitner-Gertz den Rückzug des Managers. Die Hintergründe für seinen überraschenden Rückzug werfen viele Fragen auf, zumal Achrainer bei seinen öffentlichen Äußerungen immer für eine menschenwürdige und menschenrechtskonforme Betreuung und Versorgung von Schutzsuchenden in den problematischen Massenquartieren wie Traiskirchen eingetreten ist.

Die asylkoordination fordert neben umfassender Aufklärung der tatsächlichen Gründe für den Rückzug Achrainers im BBU-Aufsichtsrat auch die sofortige Offenlegung der geheim gehaltenen Rahmenvereinbarung zwischen Innenminsterium und BBU GmbH. Zudem muss das Justizministerium abklären, ob Eingriffe in die Weisungsfreiheit im Bereich Rechtsberatung ausgeschlossen werden können. „Stellvertretend für viele zivilgesellschaftliche Organisationen möchte ich mich bei Andreas Achrainer für sein Engagement und Dialogbereitschaft auf Augenhöhe bedanken,“ so Gahleitner-Gertz abschließend.
 
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