VERBOT VON ASYLANTRÄGEN AN DER GRENZE RECHTSWIDIRIG (21. April 2021)
„Zustände wie in Ungarn, wo per Dekret am Parlament vorbeiregiert wird, dürfen wir nicht einmal ansatzweise dulden,“ begründet asylkoordinations-Sprecher Lukas Gahleitner-Gertz, den drastischen Schritt der Flüchtlingsrechtsorganisation. „Mangels Klarstellung des Innenministeriums, dass es sich den Gesetzen verpflichtet fühlt, sind wir gezwungen, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien einzubringen. Nur so können wir möglichst schnell die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen durch die österreichischen Behörden sicherstellen.“ Zwar würde eine Prüfung dieser rechtlich unhaltbaren und unverhältnismäßigen Maßnahmen durch den Verfassungsgerichtshof in einigen Monaten zu deren Aufhebung führen, aber käme in diesem Fall viel zu spät. Man habe sich daher entschlossen, die derzeit einzig verfügbare Möglichkeit, die der Rechtstaat bietet, zu nutzen.

Seit Ende März vom Innenministerium erklärt worden war, dass Asylwerber*innen die Einreise verweigert werde, wenn sie kein gültiges Gesundheitszeugnis vorlegen können, war von einem dahingehenden Erlass des Innenministers die Rede. Der Tageszeitung Der Standard liegt nun das fragliche Papier vor. „Hier versucht das Innenministerium über einen rechtswidrigen Trick das Asylrecht auszuhebeln“, stellt Gahleitner-Gertz fest.
Tatsächlich heißt es in dem Erlass, dass nur Personen mit aktuellem Gesundheitszertifikat einreisen dürfen. „Dies gilt auch dann, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.“ Und weiter: „Eine gegenteilige Rechtsauffassung würde alle zum Schutz der Bevölkerung ergriffenen Maßnahmen konterkarieren.“

Die in dem Erlass den Landespolizeidirektionen mitgeteilte Rechtsauffassung des BMI ist, wie die asylkoordination in ihrer Sachverhaltsdarstellung darlegt, unhaltbar und nährt den Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Der § 17 des Asylgesetzes sieht nämlich vor, dass ein Antrag auf internationalen Schutz bei jedem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gestellt werden kann. Ab der Stellung des Antrags darf diese Person bis zur Erledigung des Verfahrens nicht zurückgewiesen werden. Bei konsequenter Umsetzung des rechtswidrigen Erlasses würden die Rechte der Schutzsuchenden missbräuchlich geschädigt werden.

Interne Erlässe dürfen nicht Asylrecht aushebeln
„Wir kämpfen um die Einhaltung des Menschenrechts, einen Asylantrag zu stellen,“ betont Gahleitner-Gertz die Dringlichkeit des Vorgehens. „Geradezu absurd ist der Erlass deswegen, weil es nicht einmal einen Anlass dafür gibt: 12 Menschen an der Grenze sind jedenfalls kein Grund dafür, völkerrechtliche Verpflichtungen auszuhebeln. Noch weniger für eine Regierung, die sich per Regierungsprogramm darauf verpflichtet hat, ein Vorreiter im internationalen Menschenrechtsschutz sein zu wollen.“

Nicht in Frage gestellt sehen möchte die asylkoordination Maßnahmen gegen COVID-19. Die österreichischen Gesetze ermöglichen es, Schutzsuchende nach Antragstellung für 14 Tage in Quarantäne zu nehmen – das sei, so Gahleitner-Gertz, verhältnismäßig und angemessen.

Ihr Vorgehen sieht die asylkoordination in einem breiteren Kontext: Autoritäre und menschenrechtlich höchst fragwürdige Maßnahmen, die noch dazu nur durch interne Anweisungen (ohne Veröffentlichung im Rechtsinformationssystem) angeordnet werden, können nicht widerspruchslos hingenommen werden. Ein solches Vorgehen müsse Konsequenzen haben. Die asylkoordination fordert das Innenministerium auf, mitzuteilen, ob der Erlass zur Anwendung gekommen ist, und wie viele Schutzsuchende davon betroffen sind. Die asylkoordination hat bereits Kontakt mit NGOs in den Nachbarländern aufgenommen, um Verstöße gegen das österreichische Asylrecht zu dokumentieren und an der österreichischen Grenze Zurückgewiesene zu unterstützen, ihre Rechte geltend zu machen. 
 
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