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22.3.2024

Halbe/Halbe in der Grundversorgung

Aufgrund der öffentlichen Diskussionen rund um „junge arbeitsfähige Männer“ ist das Thema Grundversorgung sehr männlich konnotiert. Anlässlich des Weltfrauentags haben wir uns angesehen, welche Rolle die Frauen im Bereich Asyl und Grundversorgung spielen. Mit einem überraschenden Ergebnis. 
Lukas Gahleitner-Gertz

Die Grundversorgung ist das unterste soziale Netz in Österreich. Es ist nur für Nicht-Österreicher:innen. Anspruchsberechtigt sind also „Fremde“, die hilfs- und schutzbedürftig sind. Das sind in aller Regel Asylwerber:innen, Schutzberechtigte und Vertriebene. Aufgrund der öffentlichen Diskussionen rund um „junge arbeitsfähige Männer“ ist das Thema sehr männlich konnotiert. Anlässlich des Weltfrauentags haben wir uns angesehen, welche Rolle die Frauen im Bereich Asyl und Grundversorgung spielen. Mit einem überraschenden Ergebnis.
 

Hilfs- und schutzbedürftige Frauen und Mädchen


Am Weltfrauentag 2024 waren rund 38.700 Männer und Buben und 38.300 Frauen und Mädchen in der österreichischen Grundversorgung. Das Geschlechterverhältnis ist daher entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ausgeglichen – genau 50:50. Was sind aber die Hintergründe? Ist das öffentlich transportierte Bild vollkommen falsch? Eine genaue Analyse zeigt, wie es zu diesem Ergebnis kommt.



 

Mehr Vertriebene als Asylwerber:innen


Die Grundversorgung war ursprünglich nur für eine Übergangszeit vorgesehen: Während Menschen auf den Ausgang des Asylverfahrens warten sollten diese zumeist in organisierten Unterkünften nur Sachleistungen bekommen. Dieses System wurde aufgrund der chronischen Unterfinanzierung schrittweise umgestellt. Mittlerweile haben die meisten Bundesländer – die ja für die Grundversorgung hauptsächlich zuständig sind – auf Selbstversorgung umgestellt. Das bedeutet: Die Menschen bekommen ein Dach über den Kopf und das Essensgeld ausbezahlt. Grund: Es ist schlicht billiger, die Verpflegung den Betroffenen selbst zu überlassen als eine Küche zu betreiben.
Dann kam die russische Invasion in der Ukraine und viele Ukrainer:innen kamen in die EU und auch nach Österreich. Der Staat hatte nicht genügend Unterkünfte, die Zivilgesellschaft sprang ein: Es wurden private Unterkünfte billig zur Verfügung gestellt, der Staat sparte sich damit viel Geld. Die Zivilgesellschaft hat dem Staat in dieser Situation schlicht den Arsch gerettet.
Neben dem Schutzstatus Vertriebene entschied Österreich, die Betroffenen über das inadäquate Grundversorgungssystem zu versorgen. Zur Erinnerung: Es war eigentlich für Schutzsuchende während des laufenden Verfahrens gedacht. Die Vertriebenen haben aber schon einen Schutzstatus und grundsätzlich einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Dieser Zugang zum Arbeitsmarkt bringt aber den Vertriebenen vorerst nur beschränkt etwas: Es fehlten naturgemäß am Anfang die Deutschkenntnisse, die Anerkennung der Ausbildungen….und die Kinderbetreuung. Denn viele der Vertriebenen, die legal nach Österreich einreisen konnten sind Frauen und Kinder.
 

Ukrainische Vertriebene in der Grundversorgung

 
Etwa 50% der Personen in der Grundversorgung in Österreich sind Vertriebene aus der Ukraine. Von diesen derzeit 40.000 Menschen sind die Hälfte erwachsene Frauen und 31% Buben und Mädchen. Über 80% Frauen und Kinder ergeben einen klaren Überhang der weiblichen Personen, weil ja auch noch etwa die Hälfte der Kinder weiblich sind.


 

Asylwerber:innen in der Grundversorgung


Anfang März 2024 waren etwa ein Viertel aller Grundversorgungsbezieher:innen Personen, die im regulären Asylsystem einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. Das sind ca 18.000 Asylwerber:innen, die in diesem System versorgt werden. In diesem System gibt es insgesamt einen Männerüberhang.


 
Waren aber etwa im Jahr 2022 noch ca 90% aller Asylanträge von männlichen Personen, waren es Anfang 2024 nur etwa 55%. Der große Anteil weiblicher Personen in der Grundversorgung ist vor allem auch auf die verhältnismäßig große Anzahl von Familienzusammenführungen zurückzuführen. Auch wenn es selbst in diesem Bereich derzeit eine Annäherung der Anteile männlicher und weiblicher Asylanträge gibt, ist hier nach wie vor ein größerer Teil männlich.

 

Insgesamt: Je älter, desto weiblich


Betrachtet man das Geschlechterverhältnis anhand der Altersverteilung in der Grundversorgung erkennt man, dass es vor allem bei älteren Personen über 65 Jahren einen klaren Frauenüberhang gibt. Bei den Männern zwischen 14 und 24 Jahren ist das Verhältnis männlich:weiblich etwa 62:38, bei den Kindern bis 14 Jahren ist es vollkommen ausgeglichen. Im Ergebnis: Halbe/Halbe in der Grundversorgung



 

Flucht ist (leider auch) weiblich


Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Flucht und Vertreibung auch ein Thema, dass auch Frauen genauso betrifft wie Männer. Aus den Grundversorgungszahlen lässt sich klar ableiten, dass der Großteil geflüchteter Menschen in Österreich Frauen und Kinder ist. Aus diesen Zahlen ergibt sich aber auch, dass eine stärkere Sichtbarkeit dafür braucht, damit auch die Bedürfnisse dieser Gruppen erkannt und adressiert werden können. Nicht nur am Weltfrauentag, sondern an jedem Tag. 


Kontakt und Information

Bild Lukas Gahleitner-Gertz mit Link zur Seite von Lukas Gahleitner-GertzLukas Gahleitner-Gertz
T 01 53 212 91 - 15
gahleitner@asyl.at








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