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Bezahlkarte: Schikane statt Effizienz

rote Karte
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Während die ÖVP die Verankerung von Bargeld in der Verfassung fordert, sollen Schutzsuchende von Euro-Scheinen und Münzen möglichst ferngehalten werden. Chronologie eines Wahlkampfgags.
Herbert Langthaler

Unter dem Motto „Sachleistungen statt Geld“ wurde im „Superwahljahr“ 2024 monatelang die Einführung einer sogenannten „Sachleistungskarte“ angekündigt. So am 20. August 2024 in einer Pressekonferenz von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Das damals erklärte Ziel war es, die „Sachleistungskarte“ Anfang 2025 bundesweit „auszurollen“, „die Bundesländer können dann auf die Karte zugreifen." Warum das sonst mit Zähnen und Krallen verteidigte Bargeld in diesem Fall abzulehnen sei, wurde in erster Linie mit einer Reihe von Gerüchten und Mutmaßungen über Missbräuche begründet. Man wolle, so Karner, „Missbrauch von vornherein ausschließen“. Udo Landbauer (FPÖ), Landeshauptfraustellvertreter in Niederösterreich sieht gar „die Zeiten von sozialer Hängematte und Geldregen für Asylanten vorbei“, wenn eine Bezahlkarte eingeführt werde.

Zur Erinnerung: Geflüchtete werden während des Asylverfahrens im Rahmen der so genannten Grundversorgung entweder in organisierten Quartieren untergebracht, oder sie wohnen privat, so sie eine Wohnmöglichkeit gefunden haben und die für die Grundversorgung zuständige Landesbehörde dies genehmigt. In den organisierten Quartieren bekommen die Unterkunftsbetreiber € 25,- pro Tag ausbezahlt. Im (inzwischen seltenen) Fall der Vollversorgung behalten sie die gesamte Summe. Alternativ können sie aber auch tägliches Verpflegungsgeld (meist € 7,-) ausbezahlen. Die Schutzsuchenden können dann selbst einkaufen und kochen. Meist wurde das Geld bisher in wöchentlichen Tranchen bar ausbezahlt. Dazu kommen noch € 40,- Taschengeld im Monat. Zusammengerechnet ergibt dies (wenn der Monat 31 Tage hat) € 257,- , die Geflüchteten zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse zur Verfügung stehen. Privat Wohnende erhalten im Monat € 260,- für Verpflegung und € 165,- für die Miete pro Person.

Um hier Möglichkeiten von „Missbrauch“ zu sehen, braucht es wahrlich Phantasie. Die hat der Innenminister, wie er wiederholt bewiesen hat: „Man sehe,“ sagte Karner, „dass zahlreiche Bargeldüberweisungen über Mittelsmänner ins Ausland gehen würden, und das befeuere das Geschäft der Schlepper.“ Auch Landesrat Christoph Luisser (FPÖ) in Niederösterreich hat „gehört, dass das Geld auch an Schlepper überwiesen werde“. Dass es dafür keine Evidenz gibt, ebenso wenig dafür, dass Geld aus der Grundversorgung an daheim gebliebene Familienmitglieder fließe, wurde von Flüchtlings-NGOs als auch von Sozialwissenschafter:innen immer wieder betont. Trotzdem behauptete auch Integrationsministerin Susanne Raab in einem Gastkommentar in der Kleinen Zeitung: „Wir wissen nämlich auch, dass diese Gelder folglich wieder in den Kreislauf der Schlepperkriminalität gelangen“. Christian Oxonitsch (SPÖ) interessierte sich in einer Parlamentarischen Anfrage an Raab „auf Grundlage welcher Informationen“ sie in den Medien solche Behauptungen aufstelle. Raabs dürre Antwort an die detaillierte Anfrage: Trainer:innen von Wertekursen des ÖIF hätten berichtet, dass Kursteilnehmende „die Unterstützung für nahestehende, im Herkunftsland zurückgebliebene Personen thematisiert“ haben.

Da sich für die Behauptungen der Politiker:innen keine Evidenz ergibt, liegt es nahe, dass es sich bei der Bezahlkarte einerseits um einen Wahlkampfgang handelt, anderseits um eine Schikane, um Asylwerber:innen das Leben schwer zu machen. NGOs wie die asylkoordination oder die Diakonie lehnen die Bezahlkarte daher auch ab und haben dies auch immer wieder öffentlich geäußert.

Dabei ist diese vehemente Ablehnung von Karners Lieblingsprojekt nicht dem Umstieg von Bargeld auf Kartenzahlung an sich geschuldet, sondern der begleitenden Missbrauchsdiskussion und der schikanösen Ausgestaltung der Pilotprojekte, allen voran in Niederösterreich.

Zitat Karl Nehammer
 


Scheinlösung eines Scheinproblems

Begonnen hat die Diskussion im Wahljahr 2024 bereits am 1. Februar, nachdem in einigen bayrischen Landkreisen versuchsweise Bezahlkarten eingeführt worden waren. In Österreich reagierte der grüne Koalitionspartner ebenso ablehnend wie NGOs und die meisten Bundesländer, die zum Teil seit Jahren gut funktionierende digitale Lösungen praktizieren.

Anfang Juni wurde dann auf der Konferenz der Landesflüchtlingsreferent:innen die bundesweite Einführung einer Bezahlkarte beschlossen. Das Innenministerium solle sich um die rechtlichen und technischen Grundlagen kümmern, umsetzen müssten das Kartensystem dann ohnehin die Länder. Karners damals präsentierte Idee sah eine Karte für alle vor, die schon in den Erstaufnahmezentren an die Schutzsuchenden ausgegeben werden und so flexibel ausgestaltet sein sollte, dass sie auch an unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern angepasst werden könne.

Während FPÖ Landesräte wie Salzburgs Christian Pewny sich von diesen Plänen sehr angetan zeigten und am liebsten gar kein Bargeld in den Händen von Schutzsuchenden sehen wollten, blieben andere, wie Wiens SPÖ-Landesrat Peter Hacker, skeptisch und verwiesen auf funktionierende Systeme.
 


Wie sieht die Praxis bisher aus?

Wie Leistungen ausgezahlt werden, variiert von Bundesland zu Bundesland. Sie können entweder bar oder in Gutscheinen ausbezahlt oder auf ein Bankkonto angewiesen werden.
Ein Blick auf die verschiedenen Modalitäten zeigt, dass Überweisungen schon bisher für privat Wohnende in allen Bundesländern mit Ausnahme von Kärnten und Salzburg möglich waren. Auch jene Personen in organisierten Quartieren, an die Verpflegungsgeld und die € 40,- Taschengeld im Monat ausbezahlt werden, können dies in Wien, der Steiermark, Tirol und Vorarlberg auf ein Konto überwiesen bekommen.

In den meisten Bundesländern wurde bislang der Geldanteil der Grundversorgung in den Quartieren entweder vom Quartierbetreiber oder von den Sozialarbeiter:innen der NGOs ausbezahlt. Diese würden gerne auf das zeitaufwendige Procedere verzichten. Die Einrichtung eines Kontos für Geflüchtete und die Überweisung der den Grundversorgten zustehenden Mittel wurde daher auch schon von NGOs angeregt. Etwa von der Caritas in Salzburg, wo eine solche Lösung allerdings vom Land abgelehnt wurde, wie Gerlinde Hörl, Leiterin des Fachbereichs Migration & Chancen der Caritas erzählt. Auch Ekber Gercek von der Volkshilfe OÖ meint, dass die Einführung einer weitgehend bargeldlosen Lösung für die NGOs von Vorteil sei. „Das Geld muss nicht abgehoben, gelagert und verteilt werden und es gibt nicht den Stress, dass womöglich etwas fehlt.“
 


Rechte statt Schikanen

In anderen Bundesländern, etwa in Vorarlberg, wurde schon vor längerer Zeit ein kostengünstiges elektronisches System eingeführt, von dem auch Bernd Klisch, Fachbereichsleiter der Caritas Flüchtlingshilfe überzeugt ist. Er spricht vom „besten System in Österreich“, Grund dafür, „dass bisher weder das Amt noch die Politik an einer Umstellung auf eine Bezahlkarte Interesse zeigt.“

Die Auszahlung der Grundversorgungsgelder für Lebensunterhalt, Taschen- und Bekleidungsgeld besorgt in Vorarlberg die Caritas im Auftrag des Landes, zu nahezu 100% bargeldlos über Konten der Klient:innen. Möglich wird dies durch eine Kooperation zwischen Caritas, Wirtschaftskammer und den Banken.

Ein entscheidender Unterschied zu den von den ÖVP-Minister:innen und FPÖ-Landesräten propagierten Plänen besteht im Diskurs. Bei der Einführung der Vorarlberger Regelung ging es nicht um „Missbrauch“ oder „Geldgeschenke an Asylanten“, sondern um Rechte, die Geflüchtete auch in Österreich haben. Ausgangspunkt war dabei die Umsetzung der EU-Richtlinie (RICHTLINIE 2014/92), die die Mitgliedstaaten verpflichtet, Verbraucher:innen das Recht auf Eröffnung und Nutzung von Konten mit grundlegenden Funktionen zu garantieren. Ein solches „Basiskonto“ bietet alle Leistungen wie ein normales Bankkonto. Allerdings kann man ein Basiskonto nicht überziehen. Für Schutzsuchende als Teil einer sozial oder wirtschaftlich schwachen Gruppe kostet die Kontoführung nur € 41,73 im Jahr.
Die Caritas informiert alle Geflüchteten, wenn sie in Vorarlberg ins GVS aufgenommen werden, über diese Möglichkeit, hilft beim Ausfüllen der Formulare und organisiert die Termine bei der Bank. Diese akzeptiert auch Asylkarten, wenn kein anderer Identitätsnachweis vorhanden ist.

Auch in Tirol gibt es das Modell der „Guthabenkarte“, wie sie dort heißt, schon seit sieben Jahren. Überwiesen werden monatlich € 245,- für Verpflegung, die € 40,- Taschengeld und ein aliquoter monatlicher Betrag des Bekleidungsgeldes. Die Funktion für Auslandsüberweisungen ist allerdings gesperrt. Schutzsuchende können mit der Karte zwar nicht digital bezahlen, dafür aber problemlos Bargeld abheben, ganz im Sinne des von der ÖVP propagierten „Rechts auf Bargeld.“ Auch hier geht es nicht darum, Schutzsuchende aus Tirol fernzuhalten, sondern die Geldauszahlung zu erleichtern.

Zitat Herr B. aus Syrien


Niederösterreich: Abschreckung per Karte

Anstatt eines der bestehenden Modelle bundesweit „auszurollen“, wurde der Schwerpunkt der Kommunikation vor der Nationalratswahl nicht auf die Erleichterung von Arbeitsabläufen, sondern auf die unbewiesenen Missbrauchsvorwürfe gegen Asylwerber:innen gelegt. Im Sommer starteten in Nieder- und Oberösterreich unabhängig voneinander unter medialem Getöse Pilotprojekte. Nicht nur die Ziele, sondern auch die technische und inhaltliche Ausgestaltung der Modelle weisen starke Unterschiede auf, wie asylkoordination-Sprecher, Lukas Gahleitner-Gertz nach der Projektpräsentation in Niederösterreich im Ö1-Journal kritisierte: „Es ist auf jeden Fall kein einheitliches Bundesmodell, sondern wir sehen einen föderalen Wildwuchs an unterschiedlichen Modellen. In einigen Tagen werden wir ein Projekt in Oberösterreich mit einem anderen Diensteanbieter vorgestellt bekommen."
Tatsächlich kam in Oberösterreich die von der deutschen secupay AG auf Basis der Visa-Card entwickelte Bezahlkarte zum Einsatz, während in Niederösterreich eine Karte vom Gutschein-Spezialisten Pluxxee an sechs Standorten in verschiedenen Regionen getestet wurde.

Vorrangiges Ziele war es dort, so Landesrat Christoph Luisser (FPÖ) „Niederösterreich als Zielland für Asylwerber unattraktiv“ zu machen. Dieses Ziel schlug sich deutlich in den Funktionen der Karte nieder, wie Betroffene erzählen. „Es gibt ständig Probleme mit dem Pluxee-System,“ berichtet Herr B. aus Syrien. „Das Geld wird manchmal erst ein oder zwei Tage später heruntergeladen. Dies ist ein großes Problem, da man vom täglichen Geld lebt. Der tägliche Betrag von € 5,71 reicht nicht aus, um auf Vorrat einzukaufen.“
Tatsächlich wird in Niederösterreich eine tägliche Überweisung von nur € 5,71 getätigt, und gültig ist die Karte nur für Geschäfte, die einen Vertrag mit dem Land abgeschlossen haben. Nicht erfasst sind Sozialmärkte, aber auch Apotheken und online Second-Hand-Plattformen wie Willhaben. Auch Tickets für den öffentlichen Verkehr können nicht gekauft werden: „Wir brauchen Tickets für Termine in St. Pölten oder Wien, die für unser Asylverfahren notwendig sind. In der Stadt gibt es auch günstige Geschäfte für Kleidung, Schuhe, Haushaltsgegenstände oder Halal-Lebensmittel in arabischen Geschäften, bei denen wir jetzt nicht mehr einkaufen können.“

Auch Herr K. aus Kolumbien hat negative Erfahrungen mit der Pluxxee-Karte gemacht. Vor allem die kleinen täglichen Überweisungen machen Probleme. „Jeden Tag kommen 5,71 € und am Freitag 17,21 € auf die Karte. Oft kommt das Geld zu spät und das macht es für uns schwierig, Dinge zu kaufen. Mir ist es schon oft passiert, dass ich nicht mehr zum Markt gehen kann, wie bisher, weil das Geld nicht reicht und es immer zu spät kommt.“
Unmut erregt bei den Betroffenen auch die Tatsache, dass Vertriebene aus der Ukraine weiterhin Bargeld ausbezahlt bekommen. Ergebnis des Pilotprojekts: Die Betroffenen sind noch stärker isoliert, die Teilnahme an Deutschkursen oder der Zugang zu Freizeitaktivitäten wird willkürlich deutlich erschwert. „Nichts tun, nicht arbeiten, keine Freunde besuchen, weil keine Fahrkarte. Manchmal ich habe gehabt Angst, krank im Kopf zu werden,“ befürchtet Herr E. aus Afghanistan.

Die Kritik am niederösterreichischen Projekt wie auch die Zitate der Betroffenen wurden am 14. Jänner 2025 von #zusammenHaltNÖ auf einer Pressekonferenz präsentiert. Die Reaktion von Landesrat Luisser war eine Wiederholung des bekannten Missbrauchsdiskurses: „Unser Ziel ist und bleibt es, in Niederösterreich die illegale Zuwanderung in das Sozialsystem zu verhindern. Tatsächliche Flüchtlinge sind dankbar für Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung“, so Luisser gegenüber dem ORF.

Zitat E. aus Afghanistan


Oberösterreich: Warum kein Konto?

Anders verlief das einen Monat später gestartete Pilotprojekt in Oberösterreich. Projektregion war beim Start im Juli 2024 Steyr mit Quartieren der Volkshilfe, des Roten Kreuzes und eines privaten Anbieters, gleichzeitig wurde die adaptierte Visa-Card im BBU-Quartier Bad Kreuzen erprobt. Seit Anfang November wurde das Pilotprojekt auf mehrere Regionen ausgeweitet, etwa auf die Bezirke Perg, Schärding und Linz-Land, so dass insgesamt rund 1.000 Personen mit den Bezahlkarten ausgestattet wurden. Zwar kann das auf die Karte gebuchte Geld nicht ins Ausland überwiesen werden und auch online bezahlen ist nicht möglich, aber in der weiteren Ausgestaltung unterscheidet sich das oberösterreichische Modell erheblich von jenem des östlichen Nachbarn.

So wurden schon im Vorfeld verschiedene Konstellationen durchgespielt, wie Ekber Gercek von der Volkshilfe OÖ erzählt. „An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. Wenn wir dabei sind, dann können und wollen wir die Bedingungen im Sinne der Klient:innen mitbestimmen.“ Wichtig ist eine genaue Information der Betroffenen, dann komme es kaum zu Problemen. „Von 600 Klient:innen, die bei dem Pilotprojekt dabei waren, hat es nur bei 16 ein Problem gegeben, das ist viel weniger, als ich erwartet habe.“

Bei der Karte in Oberösterreich handelt es sich um eine Debitkarte ohne eigenes Konto, jede Karte bekommt einen IBAN, mit dem die Grundversorgungsleistungen von der Behörde überwiesen werden. Das System ermöglicht den Benutzer:innen Einblick auf den „Kontostand“ via App oder am Computer. Überwiesen werden die € 210,- in zwei Tranchen zu Beginn und in der Mitte des Monats. Wenn der 15. auf ein Wochenende fällt, sorgen die NGOs für frühere Überweisung, damit die Geflüchteten nicht ohne Geld dastehen. Gebührenfrei in bar abheben lassen sich nur einmal € 40,-, behebt man den Betrag in mehreren Tranchen, fallen Kosten an. Auch das Schulgeld (€ 100,-pro Semester) wird auf die Bezahlkarte gebucht, in manchen Regionen verwalten die Schulen das Geld, das dann auch bar abgehoben werden kann. Auch das bisher in Gutscheinen von bestimmten Ketten ausgezahlte Bekleidungsgeld soll in Zukunft auf die Karte gebucht werden. Für privat Wohnende soll es möglich sein, Abbuchungen für Miete oder Energiekosten auf der Bezahlkarte einzurichten.

Einkaufen kann man im Prinzip überall, auch in Sozialmärkten. Überweisungen an Dritte, insbesondere ins Ausland und an bestimmte Branchen wie Glücksspiel sind nicht möglich, allerdings ist online-Bezahlung z.B. für Öffi-Tickets möglich („White-List“).
Warum man nicht gleich auf das Vorarlberger Modell des Basiskontos oder die Tiroler „Guthabenkarte“ zurückgegriffen hat, erschließt sich dem Beobachter nicht, zumal in einer vorliegenden Evaluation des Projekts eine Reihe von Problemen im Detail auftauchen, die es mit einem Basiskonto nicht geben würde.

Eine Möglichkeit, zu frei verfügbarem Bargeld zu kommen, sind remunerierte Arbeiten in den Quartieren und Gemeinden bis zu € 110,- im Monat, plus € 80,- pro weiterem Familienmitglied. Diese Beträge können auch weiterhin bar ausbezahlt werden.
Die Betroffenen waren, wie Gercek berichtet, ursprünglich skeptisch. Einige waren über Freunde im nahen Bayern über Grundzüge des Systems informiert, auch über Möglichkeiten, trotzdem an Bargeld zu kommen.

Ohne diskursive Tiefschläge ging es natürlich auch in OÖ nicht ab. Vor allem vor den Wahlen war die Bezahlkarte ein beliebtes Thema. Wolfgang Hattmannsdorfer, damals noch Sozial- und Integrationslandesrat: Wir wollen verhindern, dass Leistungen aus der Grundversorgung ins Ausland fließen oder missbraucht werden. Daher soll auch in Österreich rasch eine Bezahlkarte für Asylwerberinnen und Asylwerber eingeführt werden.“
 


Juristische Schritte

Gegen das niederösterreichische Modell wurden inzwischen auch juristische Schritte gesetzt. Ein Betroffener hat am 7. August 2024 über seinen Anwalt beim Land Niederösterreich Anträge auf sofortige Auszahlung der Grundversorgungsleistungen in Bargeld eingebracht. Begründet wird der Antrag mit dem im niederösterreichischen Grundversorgungsgesetz und der EU-Aufnahmerichtlinie garantierten Recht auf eine angemessene Verpflegung. Diese sei, so die Argumentation, nicht gegeben, weil es notwendig sei, mit dem geringen zur Verfügung stehenden Budget auf günstigste Geschäfte wie Sozialmärkte, Wochenmärkte, Community-Geschäfte, Halal-Fleischereien etc. zurückzugreifen. Da aber mit der Bezahlkarte nur in bestimmten „Partnerbetrieben“ eingekauft werden kann und zudem jeden Tag weniger als € 6,- überwiesen werden, können weder Vorräte angelegt noch kostengünstig eingekauft werden. Daher werden auch die bisher angefallenen Mehrkosten (bzw. Nicht-Ersparnisse) in bar eingefordert und das wegen „Existenzgefährdung“ innerhalb kürzester Zeit.

In einem Antwortschreiben der zuständigen Abteilung am 4. September werden die Ansprüche des Schutzsuchenden abgelehnt, der Betroffene selbst wurde in ein Vollversorgungsheim verlegt, verfügt also zurzeit nur über seine € 40,- Taschengeld. Der ihn vertretende Anwalt wird weitere rechtliche Schritte ergreifen und versuchen, einen Bescheid zu erwirken, um den Fall zum Landesverwaltungsgericht bringen zu können.
 


Kommt die Bezahlkarte und wenn ja, wann?

Inzwischen sind die Wahlen geschlagen und es ist ruhig geworden um die „Sachleistungskarte“. Zu Beginn des Jahres war immer noch unklar, wie die Einführung erfolgen sollt. Gerlinde Hörl, Caritas Salzburg: „Infos dazu gibt es aber noch keine, das Land kommuniziert bis jetzt nichts dazu, auch auf Nachfrage gibt es die stereotype Antwort, dass sie auch nicht wüssten, wie es wird.“ Auch in anderen Bundesländern gab es keine diesbezüglichen Informationen.

Eine bundesweite Ausschreibung, an der alle Bundesländer außer Wien und NÖ beteiligt waren, führte nach zweimaliger Verlängerung der Ausschreibungsfrist Ende Jänner zu einem Ergebnis. Den Zuschlag erhielt, die deutsche Firma Paycenter aus dem Münchner Vorort Freising. Diese Karte ist auch in Bayern seit März 2024 im Einsatz.

In Niederösterreich will man sich jedenfalls nicht an einer bundeseinheitlichen Lösung beteiligen und das eigene Modell anwenden, das zu Jahresbeginn selbst von BBU-Chef Andreas Achrainer in einem Interview als Schikane bezeichnet wurde, vor allem, weil „Einkaufen in Sozialmärkten nicht möglich sei.“
 


Fazit – oder das immer gleiche Spiel

Was erkennt man aus dieser quälend langen Geschichte?
Es ist in diesem System Bund – 9 Bundesländer unmöglich, eine an sich grundvernünftige und zeitgemäße administrative Maßnahme, die Digitalisierung der Auszahlung der Grundversorgungsgeldleistungen, in rationaler Weise, also möglichst unaufwändig und effizient, umzusetzen. Vielmehr werden wir Zeuge davon, wie je nach Parteifarbe mehr oder weniger widersinnige bis kontraproduktive, aber maximal gehässige Schikanen eingebaut werden. Eine Facette mehr im dysfunktionalen Grundversorgungssystem. Die nächste Sau wartet schon drauf, angefärbelt zu werden, um sie bunt zur politischen Hetze durchs Dorf zu treiben. Die Betroffenen? – was kümmern uns die Geflüchteten, politisches Kleingeld ist Trumpf.
 

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