STELLUNGNAHME VON HELPING HANDS  
Rechtliche Grundlagen der Behandlung von binationalen Ehepaaren [Peter Marhold] 
 
 
Rechtslage bis zum 31.12.2005 
 
Wenn  ein/e 'Drittstaatsangehörige/r' eine/n ÖsterreicherIn heiratete, war es bisher  möglich, im Inland den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Wahrnehmung  der Familiengemeinschaft in Österreich zu stellen – unabhängig vom Status, den  der aus einem Drittstaat stammende Ehegatte eines EWR-Bügers oder Österreichers  innehatte. 
Zugleich waren diese drittstaatsangehörigen Ehegatten vom Ausländerbeschäftigungsgesetz  (AuslBG) ausgenommen, d.h. durften jeder Form der Erwerbstätigkeit nachgehen. 
Die Praxis, Asylwerber zur Zurückziehung des Asylantrags aufzufordern, hatte  keine rechtliche Grundlage, war aber unschädlich. 
 
Diese Rechtslage ist durch die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGHE  vom 17.06.1997, zur Zahl B 592/96, Slg. Nr. 14863) entstanden, als dieser die  Ungleichbehandlung von Familienangehörigen von ÖsterreicherInnen im Vergleich  zu Familienangehörigen von (anderen) EWR-BürgerInnen als unsachliche  Diskriminierung aufgehoben hatte. 
 
Europäisches Recht  
Nach dem, in den 1960er und 1970er Jahren entwickelten Europarecht besitzt ein  Ehegatte eines Unionsbürgers ein grundsätzliches Recht, sich in  Familiengemeinschaft innerhalb der Union (erweitert: EWR) aufzuhalten – die  Ausstellung eines Aufenthaltstitels gibt bloß als Ersichtlichmachung dieses  Rechts. Dies ist auch als Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention  und des dort definierten Rechts auf Familienleben zu sehen 
 
 
Neues Fremdenrechtspaket, gültig ab 1.1.2006 
 
Für  EWR-Bürger, die in Österreich leben und nicht österreichische Staatsbürger  sind, hat sich nichts Wesentliches geändert. 
  Familienangehörigen von ÖsterreicherInnen sind seit 1.1.06 schlechtergestellt.  Sie dürfen nur mehr dann einen Antrag im Inland stellen, wenn sie 'ohne  Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und hier legal aufhältig sind' (§ 21  Abs. 2 NAG). Andernfalls sind Anträge persönlich aus dem Herkunftsregion zu  stellen (§ 5 NAG iVm §§ 19 und 21 NAG) – also z. B. aus dem Staat, vor dem  Asylwerber geflüchtet sind, um in Österreich Schutz zu suchen.  
  Ein Familienleben ist bis auf weiteres auch nur in diesem Staat möglich. Werden  also damit die österreichischen Ehegatten 'des Landes verwiesen'? 
   
  Der Verfassungsgerichtshof soll mit einer kunstvollen Regelung 'gnädig  gestimmt' werden: Die weiteren Rechte der EWR-Bürger gelten nun für 'EWR-Bürger  und Österreicher, die vom Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben', also  ihre Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreizügigkeit verwirklicht haben. Die  'immer nur in Österreich lebenden' Österreicher sowie 'EWR-Bürger, die von  ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht haben' werden erneut  schlechter gestellt.  
  Der Konstrukt des 'nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgers' ist unhaltbar:  Die EU-Richtlinie umfasst explizit (Art. 3 der Richtlinie) alle EWR-Bürger,  'die sich in einen Staat begeben oder  sich dort aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen'. Das  Beispiel, das in den Erläuterungen zur AuslBG-Novelle gegeben wird ('ein in  Österreich als Kind deutscher Eltern geborener Deutscher', der seither in  Österreich lebt) wird auch von Mitverfassern des Fremdenrechtspakets aus dem  Innenministerium für unhaltbar angesehen ... 
   
  Erforderliche Maßnahme: Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG)  reparieren und damit die Ungleichbehandlung beseitigen, bevor der VfGH das tun  muss. 
   
   
  Verwaltungspraxis 
   
  Bislang  wurden Asylwerber flächendeckend aufgefordert, ihren Asylantrag zurückzuziehen.  Dazu gab es eine eigene Checkliste (s. Beilage A). Die Fremdenpolizeibehörden  haben diesen 'Rat' auch noch im Dezember 2005 erteilt - im Wissen, dass mit der  Zurückziehung das vorläufige Aufenthaltsrecht endet, der Aufenthalt damit  illegal wird und eine Inlandsantragstellung ausgeschlossen wird.  
Die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. Magistrate weigern sich nun, Anträge  anzunehmen. Der Teufelskreis: Ohne persönliches Erscheinen keine Annahme des  Antrags – bei persönlichem Erscheinen eine Zurückweisung wegen fehlender  Berechtigung zur Inlandsantragstellung. 
 
Erforderliche Maßnahmen:  
1. Anträge – auch schriftlich eingebrachte – sind anzunehmen und ggf. per Bescheid  abzulehnen. Damit kann der Verfassungsgerichtshof nach Durchlaufen des  Instanzenweges über die Rechtmäßigkkeit des NAG entscheiden. 
2. Das BMI kann 'aus humanitären Gründen' (§§72-74 NAG) der Behörde gestatten, die  Inlandsantragstellung zuzulassen. Dies ist in den dargelegten  Fallkonstellationen wohl per Weisung anzuordnen. 
 
 
Weitere Voraussetzungen 
 
Bislang  wurde als Einkommensnachweis das Erreichen/Überschreiten der  Sozialhilferichtsätze der Länder gefordert – entsprechend den  Lebenserhaltungskosten unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland, rd. 450  EUR pro Person. 
Nunmehr wird das Erreichen/Überschreiten des Ausgleichszulagensatzes nach ASVG  (§ 293) gefordert: EUR 690 pro Person oder knapp EUR 1.100 für ein Ehepaar.  
Heirat und Familienleben also nur mehr, wenn man sich das 'leisten' kann?
 
  Ausschluß vom Arbeitsmarkt 
   
  Die Novelle zum AuslBG hält eine weitere  Verschärfung parat: Im Gegensatz zu den weiterhin jedenfalls ausgenommen  Familienangehörigen von 'freizügigkeitsberechtigen' EWR-Bürgern sind Angehörige  von ÖsterreicherInnen nur dann ausgenommen, also ohne weiteres zur  Arbeitsaufnahme berechtigt, wenn sie 'zur Niederlassung nach dem NAG  berechtigt' sind (AuslBG §1 Abs. 2 lit. m). 
  Heißt also: Warten und nichts tun – bis die Rechtslage geändert wird oder der  VfGH entscheiden hat. Andernfalls gibt es bloß die Saisonnierquoten und damit  eine so kurze Beschäftigungszeit, dass kein Anspruch aus der  Arbeitslosenversicherung und damit ein Vermittlungsauftrag beim AMS entsteht.  Gemeinsam mit den Unterhaltsgrenzen ein 'giftiger' Cocktail. 
   
  Erforderliche Maßnahmen: Mit der Reparatur des NAG wird die neue Hürde  für die Aufnahme einer Beschäftigung hinfällig.
 
 
 Peter Marhold, Helping Hands
 
 
 
  
                    
  
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