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„Urlaubsreisen“ nach Afghanistan? 7 Fragen 7 Antworten

Eine RTL-Reportage lässt in Deutschland derzeit die Wogen hochgehen. Afghan:innen würden in großem Stil Urlaubsreisen an den Hindukusch unternehmen und sich dabei mithilfe deutscher Reisebüros gefinkelter Visatricks bedienen. Tatsache ist, dass Reisen ins Herkunftsland zum Verlust eines Schutzstatus führen können. Das gilt in Deutschland ebenso wie in Österreich. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema zusammengefasst.

Dürfen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte in ihren Herkunftsstaat reisen?


Grundsätzlich nicht. Zumindest nicht, um „Urlaub“ zu machen. Artikel 1 C der Genfer Flüchtlingskonvention besagt unter anderem, dass Menschen nicht mehr unter den Flüchtlingsbegriff fallen, wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen haben (also ihr Herkunftsland) zurückkehren oder sich freiwillig wieder unter den Schutz dieses Landes stellen, dessen Staatsangehörigkeit sie haben.
Das österreichische Asylgesetz definiert klar: Wer einen „Endigungsgrund“ setzt, dem kann der Asylstatus aberkannt werden. Diese Aberkennungsgründe sind in §7 AsylG 2005 definiert. Ein Aberkennungsverfahren ist einzuleiten, wenn etwa die ursprünglichen Gründe für die Zuerkennung des Schutztitels weggefallen sind, aber eben auch, wenn eine schutzberechtigte Person im Herkunftsstaat eingereist ist oder einen Reisepass in der Botschaft des Herkunftsstaates beantragt hat.

Asylberechtigte bekommen von den österreichischen Behörden auf Antrag einen Konventionsreisepass und subsidiär Schutzberechtigte einen Fremdenpass. In beiden ist ausdrücklich vermerkt, dass die Einreise in den Herkunftsstaat nicht gestattet ist.

 

Dürfen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte mit der Botschaft ihres Herkunftsstaates Kontakt aufnehmen?


Nein. Das Aufsuchen der Botschaft wird im Regelfall als Unterschutzstellung und somit als Endigungsgrund gewertet. Insbesondere die Beantragung eines Reisepasses führt in der Regel zu einem Aberkennungsverfahren. Auch für subsidiär Schutzberechtigte kann die Kontaktaufnahme mit der Botschaft problematisch sein und sollte grundsätzlich unterlassen werden. In manchen Fällen wird die Beantragung eines Reisepasses vom BFA aufgetragen. Nach Möglichkeit sollte man mit einer Rechtsberatung abklären, ob bzw. welche Auswirkungen das auf den Aufenthaltsstatus haben kann.

 

Dürfen Menschen mit Bleiberecht oder anderen Aufenthaltstiteln in ihren Herkunftsstaat reisen oder mit der Botschaft ihres Herkunftsstaates Kontakt aufnehmen?


Ja. Menschen mit Bleiberecht (Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsberechtigung plus, Rot-Weiß-Rot-Karte plus, Niederlassungserlaubnis) oder Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz haben ihren Aufenthaltstitel nicht aufgrund einer Bedrohungslage in ihrem Herkunftsland erhalten und dürfen legal in ihr Heimatland reisen. Sie erhalten in der Regel auch keinen Konventions- oder Fremdenpass, sondern müssen einen Reisepass bei ihrer Botschaft beantragen.
Man kann also nicht allein von der Staatsangehörigkeit darauf schließen, dass eine allfällige Einreise ins Herkunftsland Auswirkungen auf den Aufenthaltstitel in Österreich (oder Deutschland) hat. Maßgeblich ist, ob ein Schutztitel (Asyl oder subsidiärer Schutz) nach dem Asylgesetz vorliegt.

 

Was passiert, wenn Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte in ihren Herkunftsstaat reisen oder mit der Botschaft ihres Herkunftsstaates Kontakt aufnehmen?


In der Praxis werden Reisebewegungen von Schutzberechtigten automatisiert an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemeldet. Die zuständigen Referent:innen entscheiden dann, ob ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wird. Strikter ist die Rechtsprechung bei Aufsuchen der Botschaft des Herkunftslandes. Hier wird regelmäßig Unterschutzstellung angenommen.

Nicht jedes eingeleitete Aberkennungsverfahren führt automatisch zu einer Aberkennung, kann aber trotzdem schwerwiegende Konsequenzen haben: Während eines Aberkennungsverfahrens werden zum Beispiel Familienzusammenführungsverfahren von Angehörigen nicht weiter bearbeitet.

 

Was ist eine „Reisebewegung“?


Das ist ein sehr allgemeiner Begriff und meint nicht nur die direkte Reise ins Herkunftsland. Auch Reisen in Nachbarländer der Herkunftsländer führen in der Praxis zur Einleitung von Aberkennungsverfahren, etwa wenn Afghan:innen in den Iran reisen oder Somalier:innen nach Äthiopien.

Treffen in Nachbarländern sind aber de facto die einzige legale Möglichkeit, direkten Kontakt mit Familienangehörigen (z. B. Kindern) aufrechtzuerhalten. Schutzberechtigte stehen oft vor einem Dilemma: Ins Nachbarland reisen, um die Familie zu sehen und damit ein Aberkennungsverfahren riskieren oder in Kauf zu nehmen, enge Familienangehörige jahrelang nicht sehen zu können.

 

Was ist Unterschutzstellung?


Dazu zählt zum Beispiel das Aufsuchen der Botschaft, zum Beispiel um einen Reisepass zu beantragen oder andere konsularische Dienste in Anspruch zu nehmen. Ob tatsächliche Unterschutzsstellung vorliegt, muss in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft werden. Eine automatische Aberkennung gibt es nicht.

So hat der Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2019 ausgesprochen, dass der bloße Umstand der besuchsweisen Heimreise nicht automatisch schlussfolgern lässt, der Asylberechtigte habe sich freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes begeben. Vielmehr seien die konkreten Umstände der Reise zu erheben, um das Motiv der Heimreise, den Ablauf des konkreten Aufenthaltes und die Gefahrenlage im Herkunftsland beurteilen zu können. Die Motivation zur Heimreise sowie der Gefahrenlage im Herkunftsland sind zu berücksichtigen, um das Vorliegen einer Absicht zur Unterschutzstellung im Sinne der GFK werten zu können.

„Aus der bloßen Feststellung der besuchsweisen Heimreise lässt sich die rechtliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, der Erstrevisionswerber habe nach seiner Anerkennung als Flüchtling in Österreich - unter Zurücklassung seiner übrigen Familie - sich freiwillig unter den Schutz seines (damaligen) Heimatlandes, nämlich Afghanistan, begeben, nicht in gesetzesmäßiger Weise ableiten. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt bereits auf der Tatsachenebene die Auseinandersetzung mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgestellten Tatbeständen bzw. Aberkennungsvoraussetzungen. Es sind die konkreten Umstände der Reise zu erheben, die Aufschluss über das Motiv der Heimreise, den Ablauf des konkreten Aufenthaltes und der vom Flüchtling vorgefundenen Gefahrenlage, geben. Es wird auch eine Gewichtung der Motivation zur Heimreise und der Gefahrenlage im Herkunftsstaat, sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht, vorzunehmen sein, um den Aufenthalt als "beabsichtigte" Unterschutzstellung werten zu können.“

 

Wie viele Aberkennungsverfahren wurden im Vorjahr aufgrund von Reisebewegungen oder Unterschutzstellung eingeleitet?


Laut Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden im Vorjahr 403 Aberkennungsverfahren wegen Reisebewegungen oder Unterschutzstellung eingeleitet.
 
Lesen Sie mehr:
Reisen in den Herkunftsstaat
blogasyl.at, 03. September 2021

Machen Afghanen Urlaub in ihrer Heimat?
diepresse.at, 16. August 2024
 
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