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                | Die Wahrheit ist nicht dienlich [Heinz 
                  Fronek, Sylvia Köchl, April 2003] |    
                | Rückkehr in die Heimat 
                  oder Obdachlosigkeit: Wenn es nach Schwarzblau geht, soll das 
                  die neue Entscheidungsfreiheit für AsylwerberInnen sein. 
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                |  Übersicht 
                  Existenzsicherung |   
                | Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich das Wesen der Asylpolitik 
                  in den westeuropäischen Ländern grundlegend verändert. 
                  Eine Reihe von Maßnahmen wurden erlassen, die vor allem 
                  dazu dienten, Flüchtlinge erst gar nicht ins Land zu lassen 
                  und sie, sollten sie es doch schaffen, vom regulären Asylverfahren 
                  auszuschließen, um sie möglichst frühzeitig 
                  der Verantwortung des Heimatstaats oder eines Drittstaats zu 
                  überantworten.
 Österreich hat innerhalb der Europäischen Union immer 
                  wieder die Initiative an sich gerissen und neue Vorschläge 
                  zur Umsetzung dieser Ziele eingebracht. Besonders das Konzept 
                  der sicheren Herkunfts- und Drittstaaten ist ein ständiges 
                  Anliegen Österreichs, das im Harmonisierungsprozess mit 
                  viel Engagement vertreten wird. Das österreichische Innenministerium 
                  verfolgt dabei das Ziel, eine europaweit verbindliche Liste 
                  von Staaten, in die AsylwerberInnen ohne weitere Prüfung 
                  der Asylgründe zurückgeschickt werden können, 
                  zu erstellen.
 Schon mit dem Asylgesetz 1997 wurde in Österreich erstmals 
                  ein Zulassungsverfahren eingeführt. Das Innenministerium 
                  glaubte damit am Ziel angekommen zu sein. In der Praxis erreichten 
                  die Zulassungsverfahren allerdings nie die erwartete Bedeutung. 
                  Grund dafür war, dass der Unabhängige Bundesasylsenat 
                  auf eine zukunftsorientierte und individuelle Prüfung bestand 
                  und reihenweise die Entscheidungen des Bundesasylamtes aufhob. 
                  Die Versuche des Innenministeriums, durch Verordnungen eine 
                  Liste sicherer Dritt- und Herkunftsländer einzuführen, 
                  scheiterten.
 Eine weitere - typisch österreichische - Form, sich der 
                  Verantwortung gegenüber AsylwerberInnen zu entledigen, 
                  ist, den Aufenthalt im Asylland so unangenehm wie möglich 
                  zu gestalten. Die Sicherstellung der Grundversorgung für 
                  AsylwerberInnen war in Österreich schon in der Vergangenheit 
                  nicht gegeben, staatliche Unterstützung wurde vielen AsylwerberInnen 
                  vorenthalten. Diese Situation zwang viele Menschen, Österreich 
                  zu verlassen, um in anderen Staaten Schutz zu suchen. Am 1. 
                  Oktober 2002 wurde ein weiterer Schritt unternommen, Österreich 
                  für Flüchtlinge noch unattraktiver zu machen. Vom 
                  BMI wurde eine Richtlinie erlassen, die die Aufnahme von AsylwerberInnen 
                  in die Bundesbetreuung neu regelt. Viel Menschen, die in Österreich 
                  Schutz suchen, sind demnach von jeglicher staatlicher Unterstützung 
                  ausgeschlossen. Als einzige Alternative wird den ihnen die Rückkehr 
                  ins Heimatland offeriert.
 European Homecare, ein in Deutschland beheimatetes Unternehmen, 
                    wurde Mitte Oktober 2002, ohne eine öffentliche Ausschreibung 
                    durchgeführt zu haben, vom Innenministerium mit der Durchführung 
                    der Rückkehrberatung in Traiskirchen beauftragt. Die 
                    deutsche Firma hatte bis dahin keine Erfahrungen mit dieser 
                    sensiblen Materie. In Deutschland war die Firma bisher nur 
                    als Betreiberin einiger Unterkünfte für AsylwerberInnen 
                    - vorwiegend im Osten Deutschlands - aufgetreten.
 AsylwerberInnen sollen davon überzeugt werden, ihren 
                    Asylantrag zurückzuziehen und sich zu einer "freiwilligen" 
                    Rückkehr zu verpflichten. In einer internen Information 
                    des Innenministeriums an European Homecare (EHC), das im November 
                    2002 an die Öffentlichkeit kam, heißt es wörtlich: 
                    "Es würde nicht schaden, wenn bei den Beratenen 
                    der Eindruck eines zügig abgewickelten Asylverfahrens 
                    entstünde, an dessen (baldigem) Ende (erwartungsgemäß 
                    rechtskräftige Antragsabweisung) die entsprechenden fremdenrechtlichen 
                    Verfügungen bzw. Zwangsmaßnahmen stehen." 
                    EHC wird ausdrücklich gebeten, diese Information "diskret" 
                    zu behandeln. Insbesondere sollten "keine schriftlichen 
                    Instruktionen für die Mitarbeiter" aufgenommen werden. 
                    Der zuständige Sektionschef, Wolf Szymanski, verteidigte 
                    die Anweisungen damals mit den Worten: "Wenn man sagt, 
                    dass Asylverfahren jedenfalls zwei Jahre oder länger 
                    dauern und währenddessen keine Abschiebung möglich 
                    ist, wäre das zwar richtig, aber einer Rückkehrberatung 
                    nicht dienlich."
 Wenn die in Traiskirchen neu ankommenden AsylwerberInnen aufgrund 
                    der oben genannten Richtlinie von der Bundesbetreuung ausgeschlossen 
                    sind, werden sie mittels mehrsprachigem Informationsblatt 
                    auf die Möglichkeit der Rückkehrberatung hingewiesen. 
                    Im Informationsblatt heißt es: "Gemäß 
                    dem Bundesbetreuungsgesetz können Sie nicht ins Notquartier 
                    aufgenommen werden. Sie müssen sich daher privat eine 
                    Unterkunft suchen. Bitte geben Sie diese Adresse unbedingt 
                    dem Bundesasylamt bekannt, damit Ihr Asylverfahren weiter 
                    geführt werden kann. Sie haben nun die Möglichkeit 
                    an einer freiwilligen Rückkehrberatung, die nicht durch 
                    das Bundesasylamt durchgeführt wird, teilzunehmen. Ihr 
                    Asylverfahren wird jedenfalls weitergeführt."
 Zunächst wurden außerhalb des Lagergeländes 
                    26 Container aufgestellt, mittlerweile belegt man ein Haus 
                    im Lager mit einer Unterbringungskapazität für 200 
                    Personen. Seit Ende Oktober 2002 führten die aus Deutschland 
                    angeforderten SozialarbeiterInnen von EHC muttersprachliche 
                    Beratungen durch.
 
 Nach den Vorstellungen des Innenministers soll die Rückkehrberatung 
                    innerhalb einer Woche abgeschlossen sein. Während dieser 
                    Zeit werden die Flüchtlinge untergebracht und erhalten 
                    regelmäßige Mahlzeiten, sind aber nicht krankenversichert. 
                    Sollte ein/e AsylwerberIn sich mit der Rückkehr einverstanden 
                    erklären, versuchen die MitarbeiterInnen von EHC die 
                    notwendigen Papiere von der Botschaft zu organisieren, um 
                    die Heimreise über die interstaatliche Agentur IOM in 
                    die Wege zu leiten. In der Regel wird dieser Vorgang allerdings 
                    die Wochenfrist bei weitem überschreiten, die AsylwerberInnen 
                    können in diesem Fall weiter in der Unterkunft verbleiben.
 EHC handelt im Auftrag des Innenministeriums. So prangt auch 
                    der Briefkopf des Ministeriums auf jenem Formular, mit dem 
                    AsylwerberInnen ihren Asylantrag bei EHC zurückziehen 
                    sollen.
 Die zu beratenden AsylwerberInnen bleiben allerdings aus. 
                    Während die Rückkehrberatung der Caritas weiterhin 
                    über regen Zulauf berichtete, herrscht bei EHC gähnende 
                    Leere. In den ersten drei Monaten waren selbst nach Angaben 
                    des BMI nur 20 Menschen mit Unterstützung von EHC dazu 
                    zu bewegen in Ihre Heimat zurückgekehrt. Tatsächlich 
                    dürfte die Zahl sogar noch darunter liegen. Bis heute 
                    hat sich an diesem Bild nichts geändert. Während 
                    Hunderte AsylwerberInnen obdachlos sind, sind im 200 Plätze 
                    umfassenden Haus von EHC durchschnittlich weniger als zehn 
                    Personen untergebracht. Heimkehren werden auch diese nicht. 
                    Eine deutsche Studie konnte übrigens nachweisen, dass 
                    80 Prozent der unfreiwillig zurückgekehrten Flüchtlinge 
                    nicht in ihrer Heimat bleiben.
 Das Rückkehrprojekt der Caritas, welches bereits auf 
                    mehrjährige Erfahrung zurückblicken kann, drängt 
                    Flüchtlinge nicht zur Rückkehr. Zuerst wird die 
                    rechtliche Situation der AsylwerberInnen abgeklärt, es 
                    werden Informationen über das Herkunftsland bei seriösen 
                    Partner vor Ort eingeholt und gemeinsam die Chancen und Gefahren 
                    einer Rückkehr beurteilt. Ein weiteres Anliegen ist die 
                    sichere Ankunft, bei der die Rückkehrer abgeholt und 
                    entweder in ihre Familie oder in Projekte aufgenommen werden. 
                    Wesentlich sind also Hilfsangebote an die Betroffenen, um 
                    eine Reintegration nach längerem Auslandsaufenthalt zu 
                    bewältigen. Für größere Gruppen von Flüchtlingen, 
                    die in ihre Heimat zurückkehren, werden Rückkehrprojekte 
                    sowohl vor als auch nach der Rückkehr durchgeführt, 
                    weil sie ihre gesamten Existenzgrundlagen verloren haben. 
                    Dies sind z. B. Kurse, in denen Fähigkeiten vermittelt 
                    werden, die im Heimatland von Nutzen sind oder Wiedereingliederungshilfen 
                    für Investitionen in die berufliche Zukunft. So konnten 
                    im Jahr 2002 mehr als 750 Menschen bei der Rückkehr unterstützt 
                    werden. Meist traten diese aufgrund der Perspektivlosigkeit, 
                    wegen familiärer Probleme oder entnervt von Schikanen 
                    der österreichischen Behörden die Heimreise an. 
                    Das Gesamtbudget dieses Projekts beläuft sich auf 700.000 
                    Euro im Jahr, das Geld kommt vom Europäischen Flüchtlingsfonds, 
                    vom BMI und von Spenden. Die Effizienz der Arbeit von European 
                    Homecare spricht hingegen Bände. In drei Monaten wurde 
                    für höchstens zwanzig Menschen die Rückkehr 
                    organisiert. Eine Zahl, die die Caritas, ohne Druck auf AsylwerberInnen 
                    auszuüben, in einer Arbeitswoche erreicht - und das bei 
                    vergleichbaren Jahresbudgets.
 
 Trotz dieser verheerenden Bilanz setzt der Innenminister 
                    weiter auf die Zusammenarbeit mit EHC. Im Februar entschied 
                    das BMI, die Durchführung der Bundesbetreuung in den 
                    Flüchtlingsquartieren Traiskirchen, Bad Kreuzen, Thalham 
                    und Reichenau ab Sommer 2003 an das deutsche Unternehmen zu 
                    übertragen. Ein Konsortium aus heimischen NGOs - Caritas, 
                    Volkshilfe, Diakonie und Rotes Kreuz - wurde nicht berücksichtigt, 
                    das Angebot von EHC sei nämlich nicht nur billiger gewesen 
                    (EHC will pro Tag und AsylwerberIn nur 12,90 Euro statt der 
                    bisherigen 17 Euro ausgeben), EHC habe auch zugesagt, alle 
                    bisherigen staatlichen MitarbeiterInnen der Bundesbetreuung 
                    zu übernehmen. Also Privatisierung mit staatseigenem 
                    Personal, und das unter dem BMI-Schlagwort "Professionalisierung 
                    und mehr Qualität für AsylwerberInnen".
 
 
 
 Heinz Fronek, asylkoordination österreich, 
                  Sylvia Köchl, Volksstimme
 
 Langfassung eines Artikels aus der Volksstimme 16/ 
                  17.April 2003.
 
 Vorläufig letzte Folge der Text-Kooperation zwischen Volksstimme 
                  und asylkoordination österreich
 
 
 
 
 
 
   
 
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