Systematischer Gesetzesbruch an Grenze bestätigt
(7. September 2021) Die Initiative Push-Back Alarm Austria und asylkoordination österreich untersuchen derzeit ein Dutzend Verdachtsfälle illegaler Zurückweisungen. Die NGOs fordern die Staatsanwaltschaft auf, Ermittlungen wegen der illegalen Push-Back-Route des Innenministeriums am Balkan einzuleiten.
 
„Sie haben es wieder getan. Der Verdacht, dass illegale Push-Backs an der österreichischen Südgrenze systematisch durchgeführt werden, hat sich massiv erhärtet“, kommentiert Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination österreich, den jüngsten Fall einer Zurückweisung nach Slowenien.
 
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hatte bereits Anfang Juli 2021 festgestellt, dass der Asylantrag eines Schutzsuchenden „überhört“ und dieser illegal nach Slowenien zurückgewiesen worden war: „Aus dem geschilderten Verfahrensablauf (…) kommt das Gericht zum Schluss, dass Push-Backs in Österreich teilweise methodisch Anwendung finden.“ Damals dementierten die Behörden des Innenministeriums den systematischen Rechtsbruch, jetzt wird die Ansicht des Gerichts durch den Fall eines zurückgewiesenen minderjährigen Somalis bestätigt.
 
Der aktuelle Fall

Die Initiative Push-Back Alarm Austria hat den Fall akribisch dokumentiert: Am 25. Juli 2021 hat der minderjährige Somali Amin N. gemeinsam mit fünf anderen Flüchtlingen in Bad Radkersburg Asyl beantragt. Anstatt sie – wie anfangs von der österreichischen Polizei zugesichert – zu einer Erstaufnahmestellte zu bringen, wurden sie getäuscht und nach Slowenien überstellt. Im direkt nach der Übergabe aufgenommenen slowenischen Polizeiprotokoll ist festgehalten, dass die Schutzsuchenden bereits in Österreich Asyl beantragt hatten. Rechtsanwalt Clemens Lahner hat nun eine Maßnahmenbeschwerde eingebracht.
 
„Innenminister Nehammer kann nun nicht mehr nicht wie gewohnt die Verantwortung abwälzen und mit dem Finger auf andere zeigen: Die Staatsanwaltschaft ist spätestens jetzt gefordert zu klären, ob es hier von ganz oben rechtswidrige Weisungen für eine illegale Push-Back-Route am Balkan gibt oder ob der Innenminister seinen Laden nicht unter Kontrolle hat“, hält Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination österreich fest. „Wie Innenminister Nehammer gerne betont: Gesetze sind einzuhalten – das gilt aber vor allem auch für Minister, Beamt*innen und die Polizei. Besonders gravierend ist der Fall, weil hier wieder einmal die Rechte eines Minderjährigen mit Füßen getreten wurden.“
Eine Kettenabschiebung bis nach Bosnien konnte im konkreten Fall verhindert werden. „Die beschriebene Täuschung durch die Polizei schockiert: Ein Minderjähriger, der sich nach einem langen Fluchtweg endlich in Sicherheit glaubte, wurde von der Polizei in die Irre geführt. Ihm wurden Papiere ohne Erklärung zur Unterschrift vorgelegt“, so die Initiative Push-Back Alarm Austria.

Minderjähriger von Polizei getäuscht: „Ich vertraute der Polizei.“

Amin N. hat nun eine gesetzliche Vertretung in Slowenien. Er beschreibt die Situation: „Es war einer der schlimmsten Momente meines Lebens. Die österreichische Polizei hat uns überlistet und uns nach Slowenien zurück gepushed. Ich vertraute der Polizei. Niemand von unserer Gruppe sah auch nur 1% Möglichkeit, dass sie uns zurückweisen würden. Wir träumten davon, Frieden und Sicherheit in Österreich zu finden, und im Handumdrehen waren alle unsere Träume zerstört.“

Der Initiative Push-Back Alarm Austria liegen derzeit ca. 15 ähnlich gelagerte Verdachtsfälle illegaler Zurückweisungen vor. Sollte sich der Verdacht auch in diesen Fällen erhärten, wird die Initiative Betroffene bei der Einleitung gerichtlicher Schritte unterstützen. „Es ist unbefriedigend, dass der Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht, Asylanträge anzunehmen, derzeit nicht ausreichend sanktioniert wird“, sieht Gahleitner-Gertz Handlungsbedarf. Auch eine erfolgreiche Maßnahmenbeschwerde hat nur die Feststellung eines Gesetzesverstoßes zur Folge, der oder die Betroffene hat keine Möglichkeit für ein Asylverfahren in Österreich.
asylkoordination österreich und Push-Back Alarm Austria fordern daher, neben der Einleitung disziplinarrechtlicher Schritte die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Zurückweisung mit der Einreisegewährung zu verknüpfen und finanzielle Schadenersatzansprüche für Geschädigte vorzusehen, um Pull-Faktoren für rechtswidriges Verhalten der Behörden zu verhindern.
 
IMPRESSUM | COPYRIGHT BY ASYLKOORDINATION ÖSTERREICH
WEBDESIGN Christof Schlegel / PROGRAMMIERUNG a+o / FOTOS Mafalda Rakoš