Yussuf

Der 15-jährige Yussuf ist vor drei Jahren alleine nach Österreich gekommen und wartet darauf, endlich seine Familie nachholen zu dürfen. Herbert Langthaler hat ihn in der WG Dilan besucht.
Der 15-jährige Yussuf wartet schon zwei Jahre auf seine Familie.
Wir treffen Yussuf in der Caritas-WG Dilan. Ursprünglich kommt er aus Afghanistan. Vor seiner Flucht nach Österreich hat er mit seiner Familie im Iran gelebt. Vor drei Jahren ist er nach Österreich gekommen. An seine Flucht möchte er sich am liebsten nicht mehr erinnern. „Ich war im Iran und bin dann in die Türkei. Nach fünf Tagen im Boot von der Türkei nach Italien wurde der Motor des Bootes kaputt und ich habe geglaubt, dass ich ertrinken müsse, aber zum Glück ist ein italienischer Hubschrauber gekommen.“
Nach zwanzig Tagen in Italien schaffte er es, sich nach Österreich durchzuschlagen. Die Polizei nahm den Burschen mit und lieferte ihn in der Drehscheibe der MA 11 ab. Von dort kam Yussuf in die Wohngemeinschaft Dilan, in der er jetzt noch lebt.
Asyl hat Yussuf schnell in erster Instanz bekommen, irgendwann im Jänner 2023. Der Antrag auf Familienzusammenführung wird im Februar gestellt, die Familie, die im Iran keinen legalen Aufenthalt hatte, musste nach Pakistan übersiedeln, um an der österreichischen Botschaft in Islamabad die notwendigen Papiere vorzulegen.
Die Sorgen um seine Geschwister machen ihm zu schaffen
„Ende Oktober 2023 sind die Papiere nach Österreich zum BFA gegangen. Jetzt sind sie seit zwei Jahren in Pakistan und warten, wir haben noch immer keine Antwort bekommen. Heute ist die ganze Familie - meine Eltern, drei Brüder und eine Schwester in Pakistan - aber die Umstände, wie sie dort leben müssen, sind sehr schrecklich. Meine Geschwister können nicht in die Schule gehen, sie sind den ganzen Tag zu Hause. Ich möchte nicht, dass mein Bruder so aufwachsen muss, ohne eine Möglichkeit, schreiben zu lernen – ich bin auch so aufgewachsen, ich hab nicht schreiben gelernt. Ich bin nach Österreich gekommen und jetzt kann ich schreiben, ich kann lesen, ich bin sehr gut geworden. Früher habe ich geglaubt, ich bin dumm und mein Leben hat keinen Sinn. Jetzt glaube ich das nicht mehr, weil ich in Österreich die Möglichkeit hatte zu lernen. Die WG, die Betreuerinnen haben mir sehr geholfen dabei.“

Zurzeit besucht Yussuf nach zwei Jahren in einer Mittelschule, die er ohne Abschluss verlassen musste, eine sogenannte „Mehrstufenklasse für überalte Schüler:innen“ im 12. Bezirk. Hier verbringt er das letzte Jahr seiner Schulpflicht.
„Die alte Schule war besser. Ich bin noch schulpflichtig. Nächstes Jahr werde ich zum AMS gehen und einen Basisbildungs- und Pflichtschulabschluss machen. Wenn ich den Schulabschluss habe, möchte ich Automechaniker lernen oder einen Beruf am Bau. Ich war auch schon mit meinem Onkel bei einem Automechaniker und habe mir das angeschaut, aber zuerst muss ich den Schulabschluss machen.“
Yussuf hat in Österreich zwei Onkel, Brüder seines Vaters, die auch seine Familie in Pakistan finanziell unterstützen.
„Meine Tante ist in Paris und in Wien habe ich zwei Onkel. Ich treffe sie manchmal. Mein Onkel hat den C-Führerschein und fährt Lastwagen und der andere ist Zugbegleiter bei der ÖBB – das ist aber nichts für mich, weil ich Wien bleiben will.“
Der Kontakt zu Eltern und Geschwistern in Pakistan ist leider nicht so intensiv, wie es sich Yussuf wünschen würde.
„Es ist nicht so einfach, weil dort das Internet schlecht ist, aber so einmal in der Woche geht es. Sie fragen natürlich, wann sie endlich kommen dürfen, wann sie das Visum bekommen.“
Warum es noch immer nicht zur Familienzusammenführung gekommen ist, bleibt völlig unklar.
„... keine Ahnung. Sie haben gesagt, du musst warten, Familienzusammenführungen sind gerade gestoppt. Keine Ahnung wann es wieder weiter geht, ich will meine Familie hier haben. Ich habe meine Mutter, meinen Vater seit fünf Jahren nicht gesehen. Ich vermisse meinen Bruder – ich möchte sehen, wie er hier in die Schule geht, ich will nicht, dass sie nichts lernen. Sie dürfen in Pakistan nicht in die Schule gehen, ich will, dass sie lernen, ich will mit ihnen lernen.“
DNA-Test gab es keinen, er wurde auch nicht gefragt, die Familie wäre schon bereit dazu, wie er versichert.
„Ich habe alles dem BFA gegeben, die ganze Familie hatte die notwendigen Papiere aus Afghanistan. Ich habe seit zwei Jahren keine Antwort bekommen, das macht mich traurig. Ich habe deshalb meinen Schulabschluss nicht geschafft, wegen dem Stress. Ich denke jeden Tag an meine Familie. Ich kann in der Nacht nicht schlafen und weine manchmal im Bett, wenn ich an meine Familie denke ... in meinem Kopf ist nur meine Familie drinnen.“