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Verhandlungsbeobachtung vor dem BVWG - Verlauf und Ergebnisse

Das Projekt "Verhandlungsbeobachtung vor dem Bundesverwaltungsgericht"  hat sich im Projektverlauf zum Herzstück der Arbeit im Kompetenznetzwerk entwickelt. Das lag insbesondere an der großen Resonanz, die die Verhandlungsbeobachtung bei Ehrenamtlichen fand.
Klaus Hofstätter


Worum es ging/ geht ...

Im Asylverfahren ist die Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG die erste (und zugleich letzte) Verhandlung vor einem Gericht. Deshalb ist ein möglichst korrekter Verlauf der Verhandlung für eine faire rechtsstaatliche Asylentscheidung von grundlegender Bedeutung. Das Projekt hatte zum Ziel, durch die standardisierte Beobachtung einer großen Zahl von Verhandlungen und die Auswertung der Beobachtungsprotokolle dazu beizutragen, die Verfahrensqualität zu optimieren. Anregungen auf Basis dieser Auswertung betreffen die konkrete Ausgestaltung des Verhandlungssettings wie auch die Rollen aller Verfahrensbeteiligten, also Richter:innen, Schriftführer:innen, Rechtsvertreter:innen, BFA Referent:innen, Sachverständige, Dolmetscher:innen und Beschwerdeführer:innen.


Schulung

Vorbereitend nahmen die ehrenamtlichen Beobachter:innen an einer zweitägigen Schulung teil. Insgesamt ließen sich 74 Personen in vier jeweils zweitägigen Schulungen zu Beobachter:innen schulen. Spannend war die bunte Mischung, von Student:innen der Vienna Law Clinic, Ehrenamtlichen, die aus Neugier am Thema teilnahmen, bis zu vielen ehrenamtlichen Begleiter:innen von Geflüchteten, die schon das eine oder andere Mal bei Verhandlungen gewesen waren und nun die Gelegenheit wahrnehmen wollten, mit mehr Hintergrundwissen eine andere Rolle einzunehmen. 
Die Teilnehmer:innen des Caritas-Lehrgangs für Rechtsberatung im Asyl- und Migrationsrecht 2023 und 2024 beobachteten Verhandlungen im Rahmen ihres Curriculums. 
Im Projektverlauf haben wir regelmäßig Feedbacktreffen angeboten, zum Erfahrungsaustausch und um offene Punkte abzuklären.


Projektverlauf

Die Beobachtungen selbst fanden bis Ende Oktober 2023 am BVWG Wien, Linz, Graz, Innsbruck statt, in Summe172 - eine wirklich beeindruckende Anzahl, die den Ergebnissen Gewicht gibt und vom hohen Engagement der Ehrenamtlichen zeugt. Insgesamt hatten sich 49 Personen aktiv an den Beobachtungen beteiligt. Deren Feedback wurde im Herbst 2023  eingeholt und floss in der Neufassung des Protokolls ein.

Im Anschluss, von November 2023 bis Februar 2024 - werteten 4 Teams mit jeweils drei oder vier Beobachter:innen die Protokolle aus. Auf Basis dieser Auswertung wurde ein Dokument mit 11 Anregungen/Empfehlungen erarbeitet, deren rechtliche Basis und Umsetzungstauglichkeit durch die federführende Mitarbeit von RA Ronald Frühwirth sichergestellt wurde. 

Wir konnten im Mai 2024 die Empfehlungen aus den Verhandlungsbeobachtungen Dr. Filzwieser, dem neuen Präsidenten des BVWG, vorstellen. Die Anregungen stießen auf wohlwollendes Interesse und daraus ergab sich im Bereich Kinderrechte eine konkrete Austauschmöglichkeit mit der Ansprechrichterin Kindeswohl am BVwG.


Wirkung, Erkenntnisse, Ergebnisse

  • Zuallererst: die Anregungen aus den Verhandlungsbeobachtungen - zehn an der Zahl,  praxisorientiert, kostengünstig (und) umsetzbar, hier nachzulesen.
  • Es gelang, viele unterschiedliche Teilnehmer:innen zu erreichen, die ihre Tätigkeit als zivilgesellschaftliche Akteur:innen als anstrengend, aber sinnvoll und bereichernd empfanden. 
  • Das Projekt hat eine an sich positive Aufnahme unter der Richter:innenschaft erfahren, allerdings gab es innerhalb der Laufzeit datenschutzrechtliche Bedenken, die letztlich aber ausgeräumt werden konnten. An der letzten Schulungsrunde Ende November 2024 nahm der Koordinator der Kammer A (Asyl- und Fremdenrecht) am BVwG mit einem Input zur BVwG Verhandlung und der Rolle der Richter:innen teil - ein Zeichen dafür, dass der Vertrauenaufbau mit dem BVwG gelungen ist.
  • Einer unserer Vorschläge, ein Video für Kinder bzw. Jugendliche, in dem ihnen das Verfahren vor dem BVwG und ihre Rolle darin verständlich gemacht werden soll, ist aktuell auf dem Weg der Umsetzung.
  • Seitens der Beschwerdeführer:innen und der Rechtsvertreter:innen gab es ebenfalls ein eindeutiges zentrales Ergebnis: Öffentlichkeit/ Beobachtung wirkt! – und bewirkt eine deutliche Veränderung der Atmosphäre, in der die Verhandlung stattfindet. 
  • Nicht zuletzt konnten (und können) Geflüchtete durch die Teilnahme von Beobachter:innen an ihrer Verhandlung die Solidarität einer aufmerksamen Zivilgesellschaft erleben.

Als wesentliche Erkenntnis unserer Tätigkeit lässt sich auch festhalten, dass es ganz unabhängig von der Rechtssprechung (die in unserem Projekt nicht Gegenstand war) viele Verbesserungsmöglichkeiten in der Gestaltung der Rahmenbedingungen der Verhandlungen gibt: Manches scheint leicht(er) umsetzbar, etwa die Schaffung von Beschäftigungs-/ Spielmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, wenn sie auf ihre Einvernahme warten, anderes braucht Vorlaufzeit und vertiefte Überlegungen, etwa, dass alle Länder an allen Standorten verhandelt werden, anstatt wie aktuell Beschwerdeführer:innen auf lange und kostspielige Reisen zu schicken. Details dazu in den Anregungen. Wir freuen uns über Kommentare und Feedback!
Viele dieser Verbesserungsmöglichkeiten liegen, so war unser Eindruck, am Rande des Wahrnehmungsfeldes des BVwGs, das stark auf die anzuwendenen Rechtsvorschriften und die Verhandlungseffizienz zentriert ist. Die Verhandlungsbeobachtung hat, so hoffen wir, dazu beigetragen, diese Aspekte mehr ins Blickfeld zu rücken.


Weiterführung

Aufgrund des anhaltenden Interesses der Beobachter:innen, aber auch der grundsätzlich positiven, objektivierenden Wirkung der Präsenz einer interessierten Öffentlichkeit in den Verhandlungen werden die Verhandlungsbeobachtungen mit geringerer Intensität auch 2025 weitergeführt.
Das Protokoll wurde entsprechend adaptiert.
Wenn Sie Interesse haben, sich als ehrenamtliche:r Beobachter:in einzubringen, schreiben Sie uns ein Email an kompetenz-netzwerk@asyl.at.


Dokumente, Downloads


Kompetenznetzwerk Asyl: Anregungen aus den Verhandlungsbeobachtungen, 05/2024

WorkshopPräsentation Asylforum 2024 „Verhandlungsbeobachtung vor dem BVwG“

Simone Uran - Dolmetschen für Gerichte und Behörden, Schulung 11/24

 

Kontakt und Information

Verhandlungsbeobachtung vor dem BVwG


Bild Klaus Hofstätter mit Link zur Seite von Klaus HofstätterKlaus Hofstätter
T 01 53 212 91 - 14
hofstaetter@asyl.at









 

Das Projekt wurde gefördert von:





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