Gegen Abschiebung - hin zum Kindeswohl
Der Weg der Kinderschutzbriefe
Unsere Kinderschutzbriefe brauchen Eure Unterstützung!


Aza ist Mutter von drei Kindern im Alter von 10, 8 und 4 Jahren. All ihre Kinder sind in Österreich geboren, sie selbst stammt aus Armenien, flüchtete jedoch im Kindesalter nach Russland. Sie sah sich als Jesidin sowohl Gewalt als auch Missbrauch ausgesetzt. Mit ihrem
Mann suchte sie, schwanger mit dem ersten Kind, Schutz in Österreich. Sie erlernte die Sprache fast bis zur Perfektion, ihr Mann ist sportlich in einem Verein aktiv, ebenso wir der Sohn. Die Kinder sprechen selbstverständlich Deutsch, sind hier sozialisiert und kennen nur
eine Heimat – Österreich. Armenisch haben sie nicht erlernt, als Muttersprache sprechen sie Kurdisch. Genau dieser Umstand hat die Eltern verleitet unrichtige Angaben zu machen, in der Hoffnung auf ein permanentes Leben in Sicherheit. Der Wunsch hat sich nicht erfüllt. Die unrichtigen Angaben wurden erkannt und trotz aller Bemühungen um eine gute Integration und Nachweisen, dass die Familie dem Staat nicht zu Last fallen würde, wenn sie bleiben dürfte, kamen von Behörden und Gerichten bis jetzt nur Absagen.
An die Kinder hatte bis zum Kontakt mit unserer Plattform Gemeinsam für Kinderrechte nur wenige gedacht. Aza war es stets ein Anliegen, ihre Kinder aus all dem heraus zu halten, sie möglichst nicht zu belasten, ihnen die Chance auf eine schöne Kindheit zu geben, die
möglichst frei von Kummer ist. Kein Weg ist ihr zu steinig dieses Ziel zu erreichen. Auch ihre eigenen gesundheitlichen Probleme lassen sie nicht rasten.

In Richtung Kindeswohl
Ein weiterer Antrag auf Erteilung eines Bleiberechts wurde gestellt, diesmal mit Unterlagen
die eine Entscheidung in Richtung des Kindeswohls forcieren. Die Kinder leiden im Stillen, sie haben Ängste und Schlafprobleme. Eine Rückkehr in ihre so genannte Heimat würde bedeuten, dass sie kein soziales Netz vorfänden, dass sie in der Schule die Sprache und
Schrift nicht kennen würden – sie wären Fremde im eigenen Land. In ihrer Entwicklung wären die Kinder durch eine Abschiebung um Jahre zurückgeworfen, die psychischen Konsequenzen lassen sich erahnen.
Was wird das neue Verfahren bringen? Immerhin wurden die beiden älteren Kinder zu einer Einvernahme geladen, sie durften erklären was ihnen Österreich bedeutet, sie wurden gesehen und gehört. Egal wie die Entscheidung ausfallen wird – sie können sich trotz aller
Aufregung, mit der ein solcher Termin verbunden ist, später sagen, dass man sie zumindest in dieser Situation ernst genommen hat.

Ein Fall wie viele andere…
Für das Bündnis Gemeinsam für Kinderrechte sind Azas Kinder ein Fall wie 26 andere Fälle, die uns in den letzten neun Monaten gemeldet wurden. Jeder Fall anders und doch haben sie eines gemeinsam: Kinder die in Österreich bleiben wollen, deren Verfahren an jenem der
Elter hängt, die scheinbar oft unsichtbar sind. Im Verfahren geht es oft um die Eltern, deren Fluchtgrund oder deren gesundheitliche Leiden, aber auch deren Verfehlungen wie Straftaten oder Entscheidungen in einem anderen Land der Europäischen Union Schutz zu
suchen, nachdem Österreich ihre Anträge abgelehnt hat. Sichtbar werden die Kinder dann, wenn eine Abschiebung im Raum steht. Werden sie von der Polizei abgeholt, stehen Menschen zur Unterstützung auf, schreiben Plakate, geben Interviews. Eine Abschiebung kann das meist nicht mehr verhindern und eine Menge Freund:innen bleibt verbittert und
ohnmächtig zurück. Was tut unser Staat da? Gesetze vollziehen? Den Ermessensspielraum ausschöpfen – aber in welche Richtung?

Unsere Kinderschutzbriefe
Die Entwicklung unserer „Kinderschutzbriefe“, um Abschiebungen zu verhindern, bedurfte einiger Zeit. Man möchte meinen, es sind nur ein paar Zeilen. Doch ist jedes Wort darin mehrmals überdacht worden. Gerichtet werden die Briefe an die Minister:innen für Familie
und Jugend, Justiz und Inneres. Warum? Weil es viele Fälle gibt, jeder Einzelfall ist relevant und gleichzeitig zeigt sich der Bedarf nach einem permanenten unabhängigen staatlichen Kindeswohlmonitoring.

Den Originalkinderschutzbrief bekommen die betroffenen Kinder/Familien für ihre Unterlagen, digital erhält ihn das örtlich zuständige BFA (Bundesamt für Fremden- und Asylwesen). Die BFA-Direktion sowie das BVwG (Bundesverwaltungsgericht) werden von der Existenz des jeweiligen Briefs in Kenntnis gesetzt. Die Ausstellung eines solchen Briefes kann
durchaus sehr schnell gehen, im Fall eines suizidgefährdeten Kindes war der Brief binnen 24 Stunden fertig. Meist ist die Grundsituation zwar schnell halbwegs klar. Dennoch wollen wir Unterlagen sehen, um nicht Briefe ins Blaue auszustellen. Die Seriosität der Bemühungen
würde doch leiden, hätten wir nicht alle relevanten Unterlagen gesehen. Die Zusammenstellung eines kurzen Sachverhalts bedarf weiterer Zeit. Wurden die aktuellen Situationsberichte noch alle von uns selbst verfasst, haben wir doch Hoffnung, dass zukünftig
die jeweiligen Rechtsvertreter:innen der Familien beim Verfassen der Inhalte mitwirken, um den Prozess abzukürzen.

Es tut sich was – erste Erfolge
Nach neun Monaten Gemeinsam für Kinderrechte stehen noch viele Baustellen offen, aber es gibt positive Entwicklungen: in zwei Fällen, in denen wir Kinderschutzbriefe ausgestellt haben, wurden Sachverständige bestellt, um die psychische Gesundheit der Kinder zu erfassen, in einem Fall wurden die Kinder zur Einvernahme geladen und in zwei Fällen sind
die Kinder aktuell durch eine aufschiebende Wirkung von Seiten der Höchstgerichte geschützt, in zwei Fällen für die Kinderschutzbriefe fertig in der Schublade lagen, gibt es mittlerweile Aufenthaltstitel für die Familien, nachdem umfassende Unterlagen zu den
Kindern dem Amt im Rahmen der zu treffenden Bleiberechtsentscheidung zur Verfügung gestellt wurden In eigener Sache
Derzeit ist das Projekt abgesehen von unterstützenden Initiator:innen und Expert:innen eine „One-Woman-Show“. Selbstredend bleiben deshalb zeitliche und damit auch finanzielle Ressourcen-Defizite für unser Kinderschutz-Brief-Projekt.
Die Tätigkeiten sind rein spendenfinanziert. Wir danken für Eure Unterstützung

Katharina Glawischnig ist Kinderrechts-Expertin der asylkoordination österreich und Koordinatorin des
Bündnisses Gemeinsam für Kinderrechte.
 
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